Die umfangreichen Planungen für diesen hohen Besuch begannen bereits über ein halbes Jahr vor dem Termin. Die im Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland (ALVR) verwahrten Unterlagen erlauben einen detaillierten Einblick in die aufwändigen Vorbereitungen für ein Ereignis, das für die allermeisten Beteiligten sicherlich nicht alltäglich war. Insgesamt waren mehrere, teils ranghohe Vertreter des Landschaftsverbandes Rheinland, der Stadt und des Kreises Düren, des Grünen Kreuzes, der Blindenschule, des Blindenfürsorgevereins 1886 Düren und nicht zuletzt des Bundespräsidialamts beteiligt. Anlass des Besuchs war der Weltgesundheitstag, der seit 1954 jährlich am 1. April begangen wird und an die Gründung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erinnern soll. 1976 stand der Tag unter dem Motto "Besser sehen - mehr vom Leben" ("Foresight prevents blindness"). Bundespräsident Scheel fungierte auf Initiative des Deutschen Grünen Kreuzes als Schirmherr. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Mottos beabsichtigte Bundespräsident Scheel, eine Blindenschule zu besuchen. Als ihm verschiedene Alternativen vorgeschlagen wurden, traf er persönlich die Entscheidung zugunsten vonDüren.[1] Die Rheinische Landesschule für Blinde in Düren war zum damaligen Zeitpunkt die einzige ihrer Art im Rheinland. 1976 wurden rund 170 Schülerinnen und Schüler von 34 Lehrern unterrichtet. Zusätzlich beschäftigte die Schule 24 Erzieher, drei Werkstattleiter und 19 sonstige Mitarbeiter. Es bestand die Möglichkeit, den Grund- und Hauptschulabschluss zu erwerben, sowie sich zum Stenotypisten und Telefonisten ausbilden zu lassen. Daneben unterhielt der LVR weitere Landesschulen für Sehbehinderte in Aachen, Düsseldorf, Duisburg, Essen und Köln.[2] Die rheinische Herkunft des Bundespräsidenten dürfte zur Entscheidung für die Dürener Einrichtung beigetragen haben. Geboren in eher kleinbürgerlichen Verhältnissen in Solingen machte sich Walter Scheel nach Abitur, Banklehre und Kriegsdienst nach 1945 als Wirtschaftsberater selbstständig. In der Politik gelang ihm ein steiler Aufstieg: Bereits ab 1948 war er Mitglied im Solinger Stadtrat, ab 1950 Landtags- und ab 1953 Bundestagsabgeordneter. Von 1961 bis 1966 war er der erste Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ab 1969 übernahm er das Außenministerium und war Vizekanzler in der Regierung Brandt. Als er 1976 die Blindenschule Düren besuchte, war er bereits seit zwei Jahren Bundespräsident; ein Amt, das er bis 1979 innehatte. Er ist damit einer von vier Bundespräsidenten (außer Heinrich Lübke, Gustav Heinemann und Johannes Rau) aus Nordrhein-Westfalen und neben Johannes Rau der einzige aus dem Rheinland.[3]
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