Im Hinblick auf die medizinische Behandlung versuchte man auf der Höhe der Zeit zu bleiben, beschrieb die ärztliche Behandlung als „in der bewährten Form“ durchgeführt. Intensiv wurden Bäder als therapeutische Maßnahme eingesetzt (Wassertherapie, aber auch Vierzellen-Bad, elektrisches Wannenbad, Lichtbad). Die ausgedehnte Land-, Forst-, Garten- und Viehwirtschaft sowie die Handwerksbetriebe boten genügend Gelegenheit zur Beschäftigung. Geradezu fabrikmäßig wurden Tütenkleberei, Kartonagefabrikation und Bürstenbinderei betrieben. Gut 60 Prozent der Kranken fanden so eine Beschäftigung und erzielten zudem Einnahmen für die Klinik. Neben der Arbeitstherapie lag ein besonderes Augenmerk zunächst auch auf der Familienpflege, wobei eine allerdings geringe Zahl von Patientinnen und Patienten bei Stationspflegern untergebracht wurden. Bauern der Umgebung, die vielleicht Interesse an „billigen Knechten“ gehabt hätten, wurde dies wegen des Verdachts einer unbilligen und schädlichen Ausnutzung der Arbeitskraft verweigert. Neben der Arbeit wurde auch der Freizeitbeschäftigung als therapeutisches Moment Beachtung geschenkt: Es gab eine Anstaltskapelle, einen gemischten Sängerchor, Theateraufführungen und Tanzveranstaltungen, Waldfeste mit Spielen und Kirmestreiben. Der Geburtstag des Kaisers am 27. Januar wurde ebenso gefeiert wie der Karneval. Der Blick richtete sich aber bereits in diesen frühen Jahren auch auf die Fürsorge für die Geisteskranken nach ihrer Entlassung. Der 1900 gegründete „Hilfsverein für Geisteskranke in der Rheinprovinz“, der es sich zur Aufgabe machte, unter anderem den aus den Anstalten Entlassenen im Fall der Hilfsbedürftigkeit zur Seite zu stehen, gründete in der PHP Bedburg-Hau eine Anlaufstelle, bei der die Gemeinden des Aufnahmebezirks bedürftigte Angehörige melden konnten. Hilfsbedürftige entlassene frühere Pfleglinge und deren in Not geratene Angehörige wurden unterstützt, indem man ihnen Beihilfen gewährte. Am 3. Februar 1912 wurde in der PHP Bedburg-Hau zudem ein so genanntes Bewahrungshaus eröffnet, welches der Unterbringung „krimineller Geisteskranker“ dienen sollte. Diese Forensik, wie man heute sagen würde, war die dritte in der Rheinprovinz nach jenen in der PHP Düren und in der Provinzial-Arbeitsanstalt in Brauweiler bei Köln.
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