Die Wirren nach dem Ersten Weltkrieg, die nicht zuletzt zu einer Besetzung der linksrheinischen Teile und schließlich ab 1921 auch des Ruhrgebiets geführt hatten, begünstigten in der preußischen Rheinprovinz die Entstehung von separatistischen Strömungen. Die daraus hervorgehenden Gruppierungen waren keine homogenen Gebilde, sondern setzten sich aus teilweise sehr unterschiedlichen Milieus zusammen und verfolgten abweichende Ziele.[1] Einige Vertreter forderten die Schaffung einer „Rheinischen Republik“, die zeitweise sogar der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer favorisiert haben soll. Dieses Staatswesen sollte je nach Vorstellung mehr oder weniger eng an Preußen als Gesamtstaat gebunden sein.
Die ersten Proklamationen einer „Rheinischen Republik“ erfolgten 1919 in Wiesbaden, Mainz und weiteren Städten am Rhein. Sie blieben aber ohne unmittelbare Folgen, da die Versuche, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen, nach wenigen Tagen in sich zusammenbrachen. Erst 1923 wurden erneute, diesmal erfolgreichere Versuche unternommen, die Macht zu übernehmen. In einigen Städten wie Aachen oder Koblenz gelang dies zumindest zeitweise. Dabei blieben auch Gewaltausbrüche und Plünderungen nicht aus. Schließlich beschäftigte sich auch der 67. Rheinische Provinziallandtag in seiner ersten Sitzung am 6. November 1923 mit dem „Separatistenterror“, der scharf verurteilt wurde.[2] Neben anderen Orten kam es in den Bad Honnefer Stadtteilen Himberg und Aegidienberg zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen bewaffneten Bevölkerungsteilen und Milizen der Separatisten. Diese Auseinandersetzungen, die sich über drei Tage vom 13. bis zum 16. November 1923 hinzogen und mehrere Tote bzw. Verletzte auf beiden Seiten forderten, wurden als „Schlacht am Aegidienberg“ bekannt.[3] Einer örtlichen „Bürgerwehr“ gelang es, bewaffnete Milizen der „Rheinischen Republik“ zu vertreiben und Versuche der Wiedereroberung zurückzuschlagen. Schließlich griffen Verbände der französischen Besatzungsarmee ein, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Ende Dezember 1923 scheiterte der Versuch endgültig, einen eigenen Staat im Westen des damaligen Deutschen Reiches zu etablieren.
Noch in den 1920er Jahren begann sich im Siebengebirge eine Erinnerungskultur an die Ereignisse des Jahres 1923 zu entwickeln. Im Verlauf des Jahres 1928 gedachten zahlreiche Zeitungen der sogenannten „Abwehrkämpfe“, die fünf Jahre zuvor stattgefunden hatten. 1933 erkannte das noch junge NS-Regime das propagandistische Potenzial der Ereignisse. Am 18. Mai des Jahres sagte Reichspropagandaminister Joseph Goebbels seine Teilnahme an der Grundsteinlegung für ein geplantes Denkmal auf dem Berg Himmerich zwischen den Stadtteilen Aegidienberg und Himberg zu. Zum zehnten Jahrestag sollten rheinlandweit Gedenkfeiern veranstaltet werden. In Köln wurde im Juni 1933 eine Ausstellung eröffnet, die „Dokumente aus der Separatisten- und Besatzungszeit“ präsentierte.[4] Im gleichen Zeitraum begann der Westdeutsche Beobachter – eine im Rheinland erscheinende Zeitung, die der NSDAP zuzurechnen ist – damit, Auszüge aus vorgeblichen „Geheimprotokollen der Vorläufigen Regierung der Rheinischen Republik“ zu veröffentlichen.[5] Die Dokumente sollten belegen, dass die Separatisten durch Frankreich gesteuert wurden und eine völlige Abtrennung des Rheinlands vom Deutschen Reich beabsichtigten.
Die künstlerische Gestaltung des geplanten Denkmals auf dem Himmerich sollte durch einen Wettbewerb ermittelt werden. Den Teilnehmenden gab man vor, eine „weithin sichtbare Anlage [zu konzipieren], die den rheinischen Lebenden die Taten, die vaterländische Bedeutung und den Opfermut der Kämpfer gegen die separatistischen Umtriebe versinnbildlicht“.[6] Dieses Vorhaben war nicht das einzige seiner Art, da z. B. im nicht weit entfernten Rheinbreitbach bereits im August 1933 ein weiteres Monument eingeweiht wurde.[7] Allerdings waren bereits Mitte Juni 1933 Stimmen laut geworden, die die geographisch beschränkte Ausschreibung kritisierten und befürchteten, dass kein Künstler von ausreichendem Format gefunden werden könne.[8] Dies habe zur Folge, dass das Projekt an den eigenen Ansprüchen scheitern könnte. In der zweiten Augusthälfte wurden die Preisträger der Ausschreibung für das Himmericher Denkmal bekannt gegeben. Die Bonner Bildhauerin Marianne Jovy setzte sich mit einem Entwurf durch, der ein großes 14 Meter hohes Kreuz auf dem Gipfel des Himmerich vorsah.[9]
An diesem Vorhaben entzündete sich umgehend heftige Kritik, die sich einerseits gegen den Entwurf, andererseits auch gegen die Künstlerin selbst richtete.[10] Ungeachtet dieser Auseinandersetzungen begannen noch im Sommer 1933 die Bauarbeiten für eine Straße, die zum Denkmal auf dem Berggipfel führen sollte. Die Diskussionen um den Wettbewerb und den siegreichen Entwurf waren noch im Gange, als am 15. Oktober 1933 die Grundsteinlegung des neuen „Ehrenmals“ im Beisein zahlreicher Persönlichkeiten stattfand. Unter anderen nahmen der Oberpräsident der Rheinprovinz, Hermann von Lüninck, der Kölner Regierungspräsident Rudolf zur Bonsen und der Landeshauptmann des Provinzialverbandes, Heinrich Haake, an der Zeremonie teil. Die Bedeutung des geplanten Denkmals lässt sich daran ablesen, dass Reichspropagandaminister Joseph Goebbels ebenfalls erschien und seine Rede im Rundfunk übertragen wurde.[11]
In die Diskussionen um die Gestaltung des Denkmals schaltete sich im Oktober 1933 der Kölner Architekt Franz Brantzky ein, der im Rheinland und v. a. in Köln Wettbewerbserfolge feierte und Bauten errichtete. Neben weiteren Gebäuden gingen das Ostasiatische Museum, der Römerbrunnen und das Kunstgewerbemuseum am Hansaplatz in Köln auf seine Planungen zurück.[12] In mehreren Schreiben an den Ausschuss zur Errichtung eines Separatisten-Abwehrdenkmals, den Landeshauptmann Haake und den Landesverwaltungsrat Busley griff er massiv die bisherigen Wettbewerbsentwürfe an und legte seinerseits zwei neue Gestaltungsvorschläge vor. Wie der Architekt in seinen Schreiben betonte, seien seine Entwürfe „das Resultat ehrlichster Überzeugung und des Bestrebens, dem Vaterlande im Geiste unseres Führers zu dienen“.[13] Brantzky schlug statt eines Kreuzes ein Denkmal in Form eines Schwerts vor, das „nach altem germanischem Brauch, nach dem Kampf in den Boden gestossen“ sei.[14] Dieses überdimensionale Schwert sollte durch eigens errichtete Scheiterhaufen bzw. Strahler beleuchtet werden. Die unbehandelte Wand eines ehemaligen Steinbruchs sollte als Hintergrund einbezogen werden, vor dem das Schwert mit drei Fahnenmasten, einer Inschriftentafel und einer erhöhten Rednerkanzel zu einem Ensemble kombiniert wurden.
Nachdem seine Initiative zunächst nicht die gewünschte Wirkung erzielte, intensivierte er seine Bemühungen im Frühjahr 1934. Dies mag auch mit gewissen finanziellen Problemen zusammenhängen, da er immer weniger Aufträge erhielt. Im gleichen Jahr bat er, dass ihm der Mitgliedsbeitrag für den Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz erlassen werde.[15] Er überarbeitete geringfügig die bereits vorgelegten Entwürfe und ging noch einmal gegen die bisherigen Planungen vor. In seinen Äußerungen kritisierte er die Verwendung von kirchlichen Symbolen wie Kreuz und Glockenturm, die für ein nationales Denkmal nicht geeignet seien.[16] Die politische Affinität zum Nationalsozialismus, die Brantzky bereits von seiner Biographin bescheinigt wurde, kommt in diesen Quellen klar zum Ausdruck. Nach eigenem Bekunden betrachtete er es als seine Pflicht, gegen die Entwürfe und ihre Urheber vorzugehen, wobei er vor herabwürdigenden Äußerungen nicht zurückschreckte.
Geholfen hat es Frantz Brantzky nicht. Das groß dimensionierte Denkmal auf dem Himmerich wurde schließlich aus Kostengründen nie gebaut. Der Künstler verstarb völlig verarmt im Jahr 1945. An die dramatischen Ereignisse und Toten des Jahres 1923 erinnern heute verschiedene Gedenktafeln in den Gemeinden Aegidienberg und Hövel.
[1] Vgl. zu den Rheinstaatbestrebungen: Schlemmer, Martin: „Los von Berlin“. Die Rheinstaatbestrebungen nach dem Ersten Weltkrieg (Rheinisches Archiv 152). Köln, Weimar, Wien 2007, S. 190 ff.
[2] Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des 66. Rheinischen Provinziallandtags. Düsseldorf 1923, S. 92 ff.
[3] Scheuren, Elmar; Trapp, Christoph: Separatisten im Siebengebirge. Die "Rheinische Republik" des Jahres 1923 und die "Schlacht" bei Aegidienberg (16./17.11.1923). Katalog zur Ausstellung im Siebengebirgsmuseum der Stadt Königswinter 16. November 1993 - 23. Januar 1994. Königswinter, S. 32 ff.
[4] Artikel in der Kölnischen Volkszeitung sowie der Nationalzeitung aus Essen vom 8.6.1933. Im Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland hat sich eine Presseausschnittssammlung zur „Separatistenzeit“ erhalten. Dieses Konvolut geht wohl auf den damaligen NS-Landesdirektor Heinrich (Heinz) Haake zurück. Vgl.: ALVR, Bestand Besatzung, Nr. 10524.
[5] Artikelserie im Westdeutschen Beobachter, Start 14.6.1933. Vgl.: ALVR, Bestand Besatzung, Nr. 10524.
[6] Deutsche Reichszeitung vom 7.6.1933. Zitiert nach: Klein, Ansgar: Aufstieg und Herrschaft des Nationalsozialismus im Siebengebirge. Essen 2008, S. 255.
[7] Der Westdeutsche Beobachter feierte die Einweihung in einem Artikel vom 11.8.1933 und forderte zur Teilnahme an den Festlichkeiten auf. Vgl.: ALVR, Bestand Besatzung, Nr. 10524.
[8] Kölnische Zeitung vom 11. Juni 1933.
[9] Entwurfszeichnungen finden sich in: Stadtanzeiger Köln vom 7.8.1933 und der Rheinisch-Westfälischen Zeitung vom 19.8.1933. Vgl.: ALVR, Bestand Besatzung, Nr. 10523 f.
[10] Zu den Hintergründen siehe: Klein, Aufstieg und Herrschaft, S. 256 f.
[11] Klein, Aufstieg und Herrschaft, S. 258 f.
[12] Zu Person und Schaffen Brantzkys siehe: Menne-Thomé, Käthe: Franz Brantzky 1871–1945. Ein Kölner Architekt in seiner Zeit (17. Veröffentlichung der Abteilung Architektur des Kunsthistorischen Instituts der Universität Köln). Köln 1980, S. 11 ff.
[13] Schreiben an Landeshauptmann Haake vom 29. Oktober 1933. Vgl.: ALVR, Bestand Kulturabteilung der Provinzialverwaltung, Nr. 11807.
[14] ALVR, Nr. 10523.
[15] ALVR, Bestand Kulturabteilung der Provinzialverwaltung, Nr. 11021.
[16] ALVR, Bestand Kulturabteilung, Nr. 11807.