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im Rheinland

12. September 1904

„mit Rücksicht auf die am Denkmal zu wahrende Pietät und die Erhabenheit des Ortes“: Die Unterhaltung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals

Am 31. August 1897 war am Deutschen Eck in Koblenz das Reiterdenkmal Kaiser Wilhelms I. (+ 1888) eingeweiht worden.[1] Da es sich bei diesem Monument um ein Geschenk der ganzen Rheinprovinz handelte, oblag der Rheinischen Provinzialverwaltung in der Folge die Sorge um dessen Unterhaltung. Im Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland hat sich eine in den Jahren 1902 bis 1929 geführte, fast 10 cm dicke Akte erhalten, die diese Bemühungen umfassend dokumentiert.

Erwartungsgemäß nimmt die Pflege und bauliche Erhaltung des Denkmals und der umgebenden Anlagen großen Raum ein. Da die Sorge um die gärtnerische Pflege des Denkmalumfeldes teilweise von der Stadt Koblenz, teilweise von der Provinzialverwaltung getragen wurde, waren regelmäßige Absprachen erforderlich. Dabei ergaben sich durchaus Mittel und Wege, die anfallenden Kosten zu senken: Als Anfang 1911 ein Koblenzer Gärtner das Angebot unterbreitete, die Efeubepflanzung am Denkmal nicht nur jährlich kostenlos zu schneiden, sondern für die Verwertung der anfallenden Ranken noch 15,- Mark zu zahlen, konnte der Landeshauptmann darauf verweisen, dass der Auftrag bereits an einen Konkurrenten vergeben sei, der sogar 20,- Mark zahle.[2] Allerdings nehmen sich diese Zusatzeinnahmen doch lächerlich gering aus im Vergleich mit den regelmäßig anfallenden Kosten für die Beseitigung von Hochwasserschäden durch die beim Denkmal zusammenfließenden Flüsse Rhein und Mosel – so in den Jahren 1920, 1924 und 1926. Hier mussten jeweils Beträge von mehreren Tausend Mark aufgewandt werden.[3]

Für die Betreuung des Denkmals beschäftigte das Landesbauamt vor Ort einen Denkmalwärter und einen „Denkmals-Reinigungsarbeiter“, die jedoch kein gutes Verhältnis zueinander pflegten. 1908 gab Clemens Höfler über seinen Kollegen zu Protokoll, „daß der Aufseher Becker größtenteils nicht auf seinem Posten ist gewesen, ferner daß er wiederholt betrunken war und alsdann vergessen hatte, die Wärterbude abzuschließen.“ Als er mehrere Tage ohne Urlaub der Arbeit ferngeblieben sei, hätten seine Angehörigen täglich die Wärterbude so präpariert, dass es den „Schein erweckt, als sei Becker im Dienste“.[4] Becker hingegen konnte glaubhaft darstellen, dass es sich bei diesen Anschuldigungen lediglich um eine Retourkutsche handelte: Höfler hatte, wie der Denkmalwärter anhand seiner eigenen Aufzeichnungen nachweisen konnte, mehr Stunden in Rechnung gestellt, als er tatsächlich am Denkmal gearbeitet hatte.[5]


Neben solchen eher profanen Angelegenheiten lassen zahlreiche in der Akte enthaltene Schriftstücke jedoch auch Rückschlüsse darauf zu, welchen symbolischen Stellenwert dem Denkmal von den Koblenzern wie auch von Auswärtigen beigemessen wurde. So erreichten die Provinzialverwaltung regelmäßig Gesuche, das Denkmal aus Anlass von Tagungen oder Kongressen illuminieren und als Kulisse für patriotische Kundgebungen nutzen zu dürfen. Es ist bezeichnend, dass der „Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs in Coblenz“, über den diese Anträge häufig gestellt wurden, für die Gestaltung seines Briefkopfs eine Stadtansicht wählte, in der das Deutsche Eck mit dem Kaiserdenkmal die zentrale Position einnimmt.[6]

Gleichwohl konnte die Frage nach dem angemessenen Umgang mit dem Denkmalort bisweilen skurrile Blüten treiben. Ein Mitarbeiter des Koblenzer Landesbauamts teilte dem Landeshauptmann im September 1904 die Beobachtung mit, „daß die Uferterrassen, Treppen und die Abdeckungen der Ufermauern am Kaiser Wilhelm I Denkmal außerhalb des Schutzgeländers sowohl Rhein- wie Moselseitig von Angelfischern und Zuschauern als Aufenthaltsort benutzt werden“. „Dieses Treiben“ habe inzwischen „überhand genommen, so daß mit Rücksicht auf die am Denkmal zu wahrende Pietät und die Erhabenheit des Ortes diesem Unfug ein Ende bereitet werden muß.“ Der Denkmalwärter könne hiergegen nichts unternehmen, da sich die Angler auf die ihnen erteilten Erlaubnisscheine beriefen. Vorgeschlagen wurde daher, den Aufenthalt am Denkmal entweder polizeilich zu untersagen oder bei den Strombauverwaltungen darauf hinzuwirken, „daß den Angelfischern ein Verbot zur Benutzung der Denkmalsanlagen bekannt gegeben wird – etwa durch Aufdruck auf die Erlaubnisscheine“.[7] Die Angelegenheit beschäftigte schließlich sogar den Oberpräsidenten der Rheinprovinz, der sich nach Erörterungen mit dem Koblenzer Regierungspräsidenten und dem Polizeidirektor im Januar 1905 zu dem Urteil hinreißen ließ, „daß die Weihe des Denkmalsplatzes durch die Anwesenheit einzelner Angelfischer und der ihnen zuschauenden Personen keinerlei Beeinträchtigung erfährt“. Ob man in dieser Feststellung eine subtile Ironie oder doch eher unfreiwillige Komik erkennen möchte, sei einmal dahingestellt; doch wird dieser Eindruck durch den Hinweis, dass der Fischreichtum am Denkmal „durch die Einmündung des städtischen Entwässerungskanals“ herrühre, eher noch verstärkt.[8]


Ihren Höhepunkt erreichte die symbolische Aufladung des Denkmals in der Zeit des Ersten Weltkriegs. In der Akte demonstrieren diese Tendenz beispielsweise ein Gesuch der Kölner Kompagnien des „Deutschen Jugendwehr-Korps“, im Sommer 1913, also gewissermaßen am Vorabend des Kriegsausbruchs, einen Kranz niederlegen zu dürfen, oder die Aufstellung von zwei Beutegeschützen vor dem Denkmal, die der Stadt Koblenz im Herbst 1915 von der Heeresverwaltung zur Verfügung gestellt wurden.[9]

Umso merkwürdiger erscheint das Ansinnen einiger „Freunde“ des im April 1916 verstorbenen Erbauers des Denkmals, Prof. Dr. Bruno Schmitz, dessen „Asche am Fusse des Denkmals in den Rhein versenken bezw. einlassen [zu] wollen und an dieser Stelle einen Denkstein mit Inschrift“ anzubringen. Der Provinzialausschuss und der Landeshauptmann äußerten sich hierzu ablehnend.[10] Stattdessen wurde Schmitz' Urne schließlich in dem ebenfalls von ihm entworfenen Kyffhäuser-Denkmal beigesetzt.

Kurz vor dem Ende des Ersten Weltkriegs hingegen war das Denkmal selbst plötzlich in seinem Bestand bedroht. In seiner Sitzung vom 3. September 1918 wurde der Provinzialausschuss darüber unterrichtet, dass ein Schreiben der Metallmobilisierungsstelle eingegangen sei, „nach welchem auch das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck in Coblenz beschlagnahmt sei. Der Provinzialausschuss stellte sich auf den Standpunkt, daß „dieses von der Rhein-Bevölkerung dem Andenken Seiner Majestät dem hochseligen Kaiser Wilhelm I gewidmete und seiner Zeit in Gegenwart Seiner Majestät des Kaisers und Ihrer Majestät der Kaiserin enthüllte Denkmal, welches sich zu einem nationalen Wahrzeichen der Rheinprovinz entwickelt habe, ohne die besondere Zustimmung Seiner Majestät nicht entfernt werden könne. Es müsse daher zunächst die Entscheidung über die Beschlagnahme oder Freigabe des Denkmals bei Seiner Majestät dem Kaiser eingeholt werden“.[11] Durch das wenige Wochen später erfolgte Kriegsende erübrigte sich die Diskussion um eine Demontage der Bronzeteile des Denkmals – der reitende Kaiser verblieb auf seinem Sockel.

Das Ende der Monarchie in Deutschland führte offenbar rasch zu einer leicht veränderten Sicht auf das Denkmal. Jedenfalls spielten Fragen der „Erhabenheit des Ortes“ wie noch einige Jahre zuvor keine Rolle, als sich das Landesbauamt im Sommer 1919 mit einem Antrag zur Einrichtung einer Motorbootanlegestelle am Denkmal auseinanderzusetzen hatte. Letzten Endes waren Bedenken der städtischen Hafenverwaltung, die negative Auswirkungen auf die Abwicklung des Schiffsverkehrs fürchtete, ausschlaggebend für eine ablehnende Haltung.[12] Auch nachdem im Februar 1921 festgestellt wurde, „dass halbwüchsige Burschen in den Körper der Pferdestatue hineinklettern und dort allerlei Unfug treiben“, dauerte es längere Zeit, bis man sich des Problems annahm. Erst Monate später wurden die Schäden am Denkmal genauer aufgenommen und dabei „eine schwere Verunreinigung“ festgestellt – „Menschenkot, Flaschen und allerlei Fäkalien liegen im Innern“.[13]

Daraus schließen zu wollen, das Denkmal habe mit dem Systemwechsel als nationales Symbol ausgedient, wäre jedoch verfehlt. Als der Deutsche Athletiksportverband 1928 die Deutschen Kraftsportmeisterschaften in Koblenz abhalten wollte und für die Aufführungen der Musterriegen einen geeigneten Ort unter freiem Himmel suchte, fiel die Wahl auf den Platz beim Kaiserdenkmal am Deutschen Eck, „wo gleichzeitig ein Treugelöbnis für das Deutsche Reich abgelegt und der toten Sportsleute gedacht werden“ sollte.[14]

Bearbeitung: Dr. Manuel Hagemann


[1] Thomas Krämer, Zeitlupe zum 31. August 1897: „Kind, laß mein Pferd los – ich kann schon allein reiten!“. Zur Vorgeschichte und zur Einweihung des Kaiser Wilhelm-Denkmals in Koblenz. zum Beitrag

[2] ALVR 3767, fol. 161.

[3] Ebd., fol. 302, 362, 385.

[4] Ebd., fol. 133.

[5] Ebd., fol. 131f.

[6] Ebd., fol. 182, 192, 199.

[7] Ebd., fol. 38.

[8] Ebd., fol. 45.

[9] Ebd., fol. 211, 251.

[10] Ebd., fol. 264-266.

[11] Ebd., fol. 289.

[12] Ebd., fol. 299-301.

[13] Ebd., fol. 314, 322.

[14] Ebd., fol 422.

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Benutzte Quellen

ALVR, Nr. 3767

Thomas Krämer, Zeitlupe zum 31. August 1897: „Kind, laß mein Pferd los – ich kann schon allein reiten!“. Zur Vorgeschichte und zur Einweihung des Kaiser Wilhelm-Denkmals in Koblenz. zum Beitrag

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