Am 9. März 1888 verstarb Wilhelm I., seit 1861 König in Preußen und ab 1871 Deutscher Kaiser. Obwohl er als preußischer Thronfolger und zu Beginn seiner Regierungszeit nicht übermäßig beliebt war („Kartätschenprinz“), erfreute er sich in den Jahren nach der Reichseinigung einer wachsenden Popularität.[1] Bereits kurz nach dem Tod Wilhelms I. kamen an verschiedenen Orten Stimmen auf, die den Bau eines Denkmals forderten. Einige dieser Initiativen institutionalisierten sich in Gremien und Komitees, die teilweise die Unterstützung politischer Vertretungen gewinnen konnten. So beschloss die Koblenzer Stadtverordnetenversammlung nur wenige Tage nach dem Ableben Wilhelms I. noch im März 1888, den Kaiser mit einem Monument zu ehren. Neben Koblenz planten auch die Städte Aachen, Barmen, Düren, Essen, Gladbach, Köln und Trier ähnliche Bauwerke.[2] Konfrontiert mit diesen Initiativen, fasste der 35. Rheinische Provinziallandtag am 13. Dezember 1888 auf Antrag des Provinzialausschusses den Beschluss, durch einen Wettbewerb zu entscheiden, wo und in welcher Form dem verstorbenen Kaiser gedacht werden sollte.[3] Aus den verschiedenen lokalen Vorhaben war somit die Idee eines Denkmals der gesamten Rheinprovinz erwachsen.
Insgesamt gingen 25 Vorschläge ein, die ganz unterschiedliche Konzepte verfolgten. Als Standorte waren neben Bergrücken, Inseln und andere geographisch exponierte Lagen vorgesehen. Als Sieger ging zunächst der Entwurf der Düsseldorfer Architekten Jacobs und Wehling hervor, die ein Denkmal in der südlichen Felswand des Drachenfels im Siebengebirge präsentierten. Den zweiten Platz belegte die Idee, das Denkmal auf der Insel Grafenwerth bei Bonn zu platzieren. Allerdings überstiegen die voraussichtlichen Kosten für den Siegervorschlag den Finanzrahmen erheblich, so dass dieser Plan aufgegeben wurde.[4] Da die Frage des Standorts nach wie vor ungeklärt war und sich zwischenzeitlich eine lebhafte öffentliche, auch publizistische Diskussion entwickelt hatte, schritt der Provinziallandtag in einer Plenarsitzung am 11. Dezember 1890 zur Abstimmung. Jedoch fiel das Ergebnis nicht in der gewünschten Eindeutigkeit aus.[5] Daher übertrug der Provinziallandtag Kaiser Wilhelm II. die letztendliche Wahl. Per Kabinettsordre erging am 16. März 1891 der Beschluss, das Denkmal in Koblenz zu errichten, wo Wilhelm I. als preußischer Militärgouverneur für das Rheinland eingesetzt worden war. Für diese Alternative soll sich auch die Witwe des Kaisers ausgesprochen haben.
Nachdem der Ort des Denkmals bestimmt war, schrieb der Provinzialverband 1892 einen neuen Wettbewerb aus. Eine Jury, der neben verschiedenen Professoren aus Düsseldorf und Berlin auch der Direktor der königlichen Nationalgalerie Max Jordan angehörte, sprach sich für den Entwurf des Architekten Bruno Schmitz und des Bildhauers Emil Hundrieser aus. Um die Details der Ausführung entstanden heftigere Diskussionen. Vor allem Wilhelm Fürst zu Wied griff als Vorsitzender des Provinziallandtages mehrfach in die Gestaltung ein. Seine Unzufriedenheit mit dem ursprünglichen Entwurf brachte er in einem Schreiben vom 9. Januar 1893 deutlich zu Ausdruck: „Ich würde es außerordentlich bedauern, wenn an dieser schönen Stelle ein so wenig passendes Reiterstandbild errichtet werden sollte. Das einzige, was mir an dem Modell, das ich in Photographie gesehen habe, gefällt, ist der Kopf des Reiters. Ich möchte die Befürchtung aussprechen, daß, wenn dieses Projekt ausgeführt werden sollte, nach der Enthüllung desselben die deutschen Witzblätter sich desselben bemächtigen werden und daß in diesen gar leicht die Ausführung gemacht werden könnte, daß der Kaiser seinen Kopf nach links wende, um seinem geflügelten weiblichen Reitknecht zu sagen: „Kind, laß mein Pferd los – ich kann schon allein reiten!““[6] Die Debatten verdeutlichen, wie wichtig es den Zeitgenossen war, das auf Wilhelm I. projizierte Bild und die Vorstellungen von der Größe des Deutschen Reiches in die „richtige“, d. h. angemessene Form zu gießen. Es wäre daher verfehlt, die Einwendungen als oberflächliche Petitessen abzutun. Hinter der scharfen Ironie kommt in den Worten des Fürsten zu Wied ernste Sorge zum Ausdruck.
Nachdem die entsprechend abgeänderten Pläne durch den Provinzialverband der Rheinprovinz und Kaiser Wilhelm II. schließlich genehmigt worden waren, begannen die Bauarbeiten im September 1895. Die vor Ort tätigen Baubeamten unterrichteten ca. alle zwei Wochen direkt Landesdirektor Klein in Düsseldorf über die Fortschritte, was es ermöglicht, die Errichtung des Denkmal en Detail nachzuvollziehen.[7] Mit dem Guss des 14 Meter hohen Reiterstandbilds wurde die Kunstgießerei Howald in Braunschweig beauftragt, die dafür ca. 350 Zentner Kupfer benötigte. Der Kaiser wurde als General dargestellt, der in der rechten Hand einen Marschallsstab hält, während die linke die Zügel hält. Neben dem schreitenden Pferd trug ein geflügelter, weiblicher Genius die Kaiserkrone in seinen Händen. Figurengruppe und Pfeilerhalle wurden zur Landseite von einer halbkreisförmigen Pergola umgeben. Die Figurengruppe ruht auf einer steinernen Pfeilerhalle, die aus Granit gearbeitet wurde.[8]
Als die Fertigstellung des Bauwerks näher rückte, begannen ab Ende 1896 die Vorbereitungen für die Einweihungsfeierlichkeiten. Das gesamte Programm war penibel ausgearbeitet worden, u. a. hatte der Provinzialverband bei verschiedenen Hoflieferanten Menüvorschläge für das Festdinner eingeholt. Aber es mussten auch die Plätze für das Kaiserzelt, die Tribünen, die Chöre usw. unter den eingeschränkten Möglichkeiten des Deutschen Ecks bestimmt werden.[9] Mitte März 1897 hatte der Provinzialverband Wilhelm II. gebeten, an der Einweihung teilzunehmen und eine Zusage erhalten.[10] Das Tagesprogramm sah vor, dass das Kaiserpaar und Gefolge gegen 11 Uhr per Schiff in Koblenz eintreffen sollten. Empfangen wurden sie von Honoratioren und Würdenträgern der Stadt Koblenz und des Provinzialverbandes. Anschließend trugen mehrere Gesangsvereine z. T. eigens für diesen Anlass komponierte Stücke vor.[11] Nach der Festrede des Vorsitzenden des Provinziallandtages, Wilhelm Fürst zu Wied, der den verstorbenen Kaiser überschwänglich als Wilhelm den Großen feierte, besichtigte das Kaiserpaar das Denkmal. Die Einweihungsfeierlichkeiten sahen auch militärische Programmpunkte vor: nicht nur, dass Kanonenschüsse abgefeuert wurden, Kaiser Wilhelm II. nahm im Rahmen der Einweihung eine Parade der auf der Festung Ehrenbreitstein stationierten Truppen ab.[12] Nach der Einweihung im engeren Wortsinn folgte ein Festbankett im Koblenzer Schloss, bevor das Kaiserpaar gegen 23 Uhr nach Würzburg weiterreiste.
Die Reaktionen auf das Denkmal, von dem man sich auch eine Belebung des Fremdenverkehrs erhoffte, vielen gemischt aus. Neben positiven Stimmen fällte der Provinzialkonservator der Rheinprovinz, Paul Clemen, als ranghöchster Denkmalschützer ein negatives Urteil: „Es solle wirken wie ein Faustschlag in der Landschaft, diese hat aber den Faustschlag wirklich nicht verdient“.[13] Im März 1945 wurde das Denkmal durch mehrere Granattreffer schwer beschädigt und schließlich in den Nachkriegsjahren demontiert. Von dem ursprünglichen Reiterstandbild ist heute nur noch der Kopf Kaiser Wilhelms I. im Original erhalten. Bei der 1993 nach langen und kontroversen Diskussionen aufgestellten Figurengruppe handelt es sich um eine Replik.
Bearbeitung: Dr. Thomas Krämer
[1] Zur Biographie siehe: Angelow, Jürgen: Wilhelm I. (1861–1888), in: Preußens Herrscher. Von den ersten Hohenzollern bis Wilhelm II., hrsg. von Frank-Lothar Kroll. München 2006, S. 242–264.
[2] Koelges, Michael: Heroisches Kaiserdenkmal oder "Faustschlag aus Stein"? Das Deutsche Eck in Koblenz, in: Portal Rheinische Geschichte, online abrufbar unter: Link (zuletzt abgerufen am 25.08.2017).
[3] Verhandlungen des im Jahre 1888 versammelt gewesenen 35. Rheinischen Provinziallandtags. Düsseldorf 1889, S. 68 f.
[4] Der Entwurf stand unter dem bezeichnenden Motto „Felswand“. Dieser ist wie die weiteren Entwürfe inklusive Kostenkalkulation einsehbar unter: Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland, Bestand Rheinische Provinzialverwaltung, Nr. 1487.
[5] Verhandlungen des im Jahre 1890 versammelt gewesenen 36. Rheinischen Provinziallandtags. Düsseldorf 1891, S. 581 ff.
[6] Die Bauberichte sind enthalten in: ALVR, Bestand Rheinische Provinzialverwaltung, Nr. 1497.
[7] ALVR, Bestand Rheinische Provinzialverwaltung, Nr. 2502.
[8] Das Denkmal Kaiser Wilhelm I. am Deutschen Eck zu Coblenz. Kurze geschichtliche und bauliche Daten über das Kaiser Wilhelm I. Denkmal zu Coblenz. Düsseldorf 1897.
[9] ALVR, Bestand Rheinische Provinzialverwaltung, Nr. 1509 f.
[10] Die Einweihung des Denkmals fiel in eine bewegte Zeit. Nur eine Woche nach den Feierlichkeiten in Koblenz forderte Reichskanzler Bülow für das Deutsche Reich erstmals „einen Platz an der Sonne“. Zum historischen Kontext siehe. Engelskirchen, Lutz: Das Denkmal im politischen Raum. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck in seinem Jahrhundert. Bd. I. Münster 2016, S. 165 ff.
[11] Das Programm wurde einschließlich der Liedtexte gedruckt. Siehe: ALVR, Bestand Rheinische Provinzialverwaltung, Nr. 1506 (1897).
[12] Zu den militärischen Konnotationen siehe: Engelskirchen, Lutz: Das Denkmal im politischen Raum. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck in seinem Jahrhundert. Bd. I. Münster 2016, S. 166 ff.
[13] Coblenzer Volks-Zeitung vom 12.12.1903, Locales; zitiert nach: Koelges, Heroisches Kaiserdenkmal (wie Endote 2).