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im Rheinland

Adelsforschung im Rheinland und Netzbiographie Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck

Aktuelle Ergebnisse einer beispielhaften Zusammenarbeit zwischen LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum und Wissenschaft

Im Rahmen eines von der Fritz-Thyssen-Stiftung geförderten Forschungsprojektes "Gewinner und Verlierer. Der rheinische Adel in der Sattelzeit (1750–1850)" wurde vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2013 die wissenschaftliche Auswertung ausgewählter Bestände aus den privaten Adelsarchiven im Rheinland gefördert. Am Beispiel verschiedener Adelsfamilien haben zwei Doktoranden unter der wissenschaftlichen Leitung von Professorin Gudrun Gersmann (Lehrstuhl für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität zu Köln) und archivfachlicher Begleitung des LVR die Reaktions-, Karriere- und Anpassungsstrategien des rheinischen Adels im Übergang von der traditionalen zur modernen Gesellschaft in generationenübergreifender Perspektive untersucht.

Darüber hinaus wurden im Rahmen des Projekts die Nachlässe von Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773–1861) und seiner zweiten Frau Constance de Salm von einer Gruppe junger wie auch erfahrener Historiker unter verschiedenen Fragestellungen mit dem gemeinsamen Blick auf die facettenreiche Vita der Protagonisten ausgewertet. Grundlage dafür war u.a. ein Findbuch zu Fürst Joseph Salm-Reifferscheidt-Dyck, das bereits im Rahmen eines vorangegangenen Kooperationsprojektes zwischen dem LVR- Archivberatungs- und Fortbildungszentrum (LVR-AFZ) und dem DHI Paris erstellt werden konnte.

Als Ergebnis dieser Autorenkooperation ist Ende April 2014 die "Netzbiographie über Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck" am Historischen Institut der Universität zu Köln freigeschaltet worden. Bei der Netzbiographie handelt es sich um ein neuartiges Publikationsformat, das dialogisch aufgebaut und multiperspektivisch mit drei- bis fünfseitigen, miteinander verlinkten Kurzbeiträgen gestaltet ist. Der Protagonist, der sämtliche politischen Umbrüche zwischen 1773 und 1861 erlebte, ist aufgrund seiner wechselvollen Biografie und seiner vielschichtigen Persönlichkeit prädestiniert, um als "Messlatte" im Vergleich zu anderen rheinischen Adelskarrieren zu dienen.

Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773–1861) stammte aus einem reichsgräflichen Adelsgeschlecht, das eine der wenigen reichsunmittelbaren Adelsherrschaften in den Rheinlanden besaß. Im Rahmen seiner Kavalierstour hatte er knapp zwei Jahre bis kurz vor dem Sturm auf die Bastille in Paris gelebt und in den königlichen Gärten der französischen Hauptstadt seine Passion für die Erforschung der Kakteen und Sukkulenten entdeckt. Als Botaniker sowie als Schöpfer des Landschaftsparks von Schloss Dyck ist Fürst Joseph heute noch wissenschaftlich anerkannt. Das Archiv der Familie wird vom LVR-AFZ betreut.

Im Unterschied zu vielen benachbarten Adligen blieb Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck nach dem Einrücken der französischen Revolutionstruppen auf seinem Schloss Dyck. Trotz der vorübergehenden Konfiskation seines Besitzes und der Zahlung hoher Steuern gelang es ihm dank seiner guten Kontakte zu den Franzosen, den Erhalt seiner Güter zu sichern und für den Verlust standesherrlicher Rechte sogar finanziell entschädigt zu werden. In den folgenden Jahren war ihm im napoleonischen System ein rascher Aufstieg in hohe Ämter beschieden. Nach der militärischen Niederlage Napoleons stellte Fürst Joseph erneut seine Flexibilität unter Beweis. Die Militärverwaltung der Siegermächte berief ihn 1814 als hochrangiges Mitglied in die Übergangsverwaltung; 1816 wurde er vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. in den Fürstenstand erhoben. Seit 1826 engagierte sich Fürst Joseph im Provinziallandtag der Rheinprovinz für die Beibehaltung der rechtlichen Errungenschaften der französischen Zeit und setzte sich für die Einlösung des 1815 vom preußischen König für die Rheinlande gegebenen Verfassungsversprechens ein. Da er damit die preußische Regierung in Berlin brüskierte, zog er sich 1849 aus der Politik zurück und konzentrierte sich ganz auf seine botanischen Forschungen. Nach der Scheidung von seiner ersten Frau Maria Theresia Gräfin von Hatzfeldt heiratete er 1803 in zweiter Ehe die französische Schriftstellerin und Salonnière Constance de Théis (1767–1845).