Durch das Gesetz vom 3. Dezember 1920 über die Wahlen zu den Provinziallandtagen und zu den Kreistagen[1] war die Urwahl der Abgeordneten nach allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl nach dem Verhältniswahlrecht eingeführt worden. Wahlberechtigt war „jeder Deutsche männlichen oder weiblichen Geschlechts, der am Wahltag das zwanzigste Lebensjahr vollendet hat und in der Provinz seinen Wohnsitz hat“.[2] Wahlvorschläge mussten lediglich in den einzelnen Wahlkreisen (also den Land- und Stadtkreisen) eingereicht werden. Dabei genügten 15 Unterschriften von im Wahlkreis wahlberechtigten Personen, um die Kandidatur zu ermöglichen.[3]
Die Ergebnisse der nach diesen Regeln durchgeführten Wahlen von 1921, 1925 und 1933 sind unter folgendem Link einsehbar.[4]
Bei den letzten Wahlen zum Rheinischen Provinziallandtag am 12. März 1933 traten in der Rheinprovinz 18 Parteien bzw. Gruppierungen an. Hier zu sehen ist ein ungültiger Stimmzettel aus Berrenrath, heute Stadtteil von Hürth. Die Listen 20 und 27 traten im Landkreis Köln nicht an. Laut vorläufigem Ergebnis der Wahl fielen in der Rheinprovinz fast 40 Prozent der abgegebenen 3.875.271 Stimmen auf die NSDAP. Der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer hatte als Vorsitzender des Provinzialausschusses um eine Prognose der Sitzverteilung ausgehend von den Ergebnissen der Reichstagswahlen im Jahr 1932 gebeten. Die Ergebnisse der Wahl vom November 1932 sind in folgender Tabelle eingearbeitet. Ob die unterschiedlichen Schriftgrößen bei den Bezeichnungen der Parteien bzw. Gruppierungen (vergleichen Sie auf dem Wahlzettel die Größe des Wortteils „Volks“ bei 7, 8 und 18) das Wahlergebnis beeinflusst haben, ist nicht dokumentiert.[5]
Die Öffentlichkeit der Wahl war grundsätzlich gegeben. Welche Vertreter der Presse und von Telegrafenbüros in der Nacht vom 12. auf den 13. März 1933 tatsächlich im Düsseldorfer Landeshaus anwesend waren, ist nicht überliefert. Zumindest die Frau des am 19. Februar 1933 verstorbenen Landeshauptmannes Dr. Johannes Horion war zugegen und unterstützte die diensttuenden Beamten und Angestellten, wofür Landesrat Dr. Trippen sich schriftlich bedankte.[8]
Die letzte prinzipiell demokratisch angelegte Wahl führte aber nicht zu einem demokratischen Ergebnis, denn die gewählten Kandidaten der KPD sollten durch Erlass des Reichskanzlers Adolf Hitler an der Wahrnehmung des Mandats gehindert werden. Dies könnte z. B. dadurch geschehen sein, dass die die Gewählten schlichtweg verhaftet wurden. Da auch die Einspruchsfristen gegen das Wahlergebnis verkürzt wurden, verliert diese Wahl an Legitimität.
Offensichtlich waren verschiedentlich örtliche Polizeibehörden übereifrig und hinderten auch Sozialdemokraten an der Wahrnehmung des Mandats: Ein Funkspruch Hermann Görings vom 28. März 1933 forderte die Einhaltung der Vorgabe ein, nur Kommunisten an der Wahrnehmung ihrer Mandate zu hindern. Bei der hier abgebildeten Quelle ist auch die unscheinbare Abkürzung (KdR) bemerkenswert: Göring übernahm „am Tag der Machtübernahme“ im Reich durch die NSDAP u. a. die Funktion als Reichskommissar für das Preußische Innenministerium. Dies leitete die „Verreichlichung“ ein, welche – aus Sicht der Rheinischen Provinzialverwaltung – bereits am 13. Dezember 1933 mit dem „Oberpräsidentengesetz“ [9] abgeschlossen war: die Selbstverwaltung der Preußischen Rheinprovinz wurde förmlich dem staatlichen Oberpräsidium angegliedert.
Bearbeiter: Rudolf Kahlfeld
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[1] Gesetz Nr. 12012, Preußische Gesetzessammlung 1921, Nr. 1 Seite 1; die Wahlverordnung vom 31. 12. 1920 ist ab Seite 8 der Gesetzessammlung abgedruckt.
[2] § 1 Satz I und § 2 Absatz I des Gesetzes; das Wahlrecht war also auch an die Volljährigkeit gekoppelt.
[3] § 9 Nr. 4 in Verbindung mit § 7 des Gesetzes.
[4] Zugriff vom 08.11.2017; die Wahlergebnisse in der Rheinprovinz für 1933 stimmen mit den in Akte 1623 des Archivs des LVR zur Wahl 1933 enthaltenen Ergebnissen überein.
[5] Bei der letzten Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen wurden aus einem solchen Grund Stimmzettel aber neugedruckt.
[6] Archiv des LVR 1623, Auszählungsliste vom 13.3.1933.
[7] Archiv des LVR 1623, Schreiben des Ersten Landesrates Kitz an Oberbürgermeister Adenauer vom 17.2.1933 zur Prognose.
[8] Dr. Trippen war Wahlleiter; Schreiben vom 24.03.1933 an „Frau Landeshauptmann Dr. Horion, hier“ in ALVR 1623. In der Akte zur Wahl 1929 ist der Wunsch eines „Depeschendienstes“, bei den Wahlen zum Provinziallandtag im November 1929 ein eingerichtetes Büro nutzen zu können, um laufend über die Wahlauszählung berichten zu können überliefert. Dem Rundfunksender Köln wurde vom Wahlleiter zugesagt, wesentliche neue Teilergebnisse bekanntzugeben, damit diese durchaus auch in Nachtsendungen verlesen werden konnten; vgl. Archiv des LVR 1622.
[9] Gesetz über die Erweiterung der Befugnisse des Oberpräsidenten, Gesetzsammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, Jahrgang 1933, S. 477,Text z. B. unter Link (letzter Zugriff vom 09.11.2017)