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im Rheinland

13. Juli 1919: „Ew. Exellenz bitte ich hiernach, die vorstehenden Gesichtspunkte [...] gefl. zur Geltung bringen zu wollen.“

Eingabe des Landeshauptmanns des Rheinischen Provinzialverbandes an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz

Am 13. Juli 1919 richtete der Landeshauptmann des Rheinischen Provinzialverbandes [1], Ludwig von Renvers [2], ein Schreiben an den seit dem 26. April 1918 amtierenden und in Koblenz residierenden Oberpräsidenten der Rheinprovinz [3], Rudolf Felix Joseph von Groote [4]. Ein paraphierter Entwurf [5] des Schreibens findet sich in einer Akte der Provinzialverwaltung der preußischen Rheinprovinz, die heute Teil der Bestände des Archivs des Landschaftsverbandes Rheinland ist. [6] Gegenstand der Eingabe des Landeshauptmanns war die Aufführung einer Reihe von verwaltungstechnischen Schwierigkeiten der Rheinischen Provinzialverwaltung und die Bitte um Berücksichtigung dieser Aspekte bei der Erörterung der Frage nach der zukünftigen Verwaltung der Rheinprovinz..

Was war geschehen?

Am 11. November 1918 waren durch den Waffenstillstand von Compiègne die Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs beendet worden. De facto hatte das Deutsche Reich, im Angesicht der nach dem Scheitern der deutschen Frühjahrsoffensiven von 1918 absehbaren militärischen Niederlage, auf Betreiben der deutschen Obersten Heeresleitung, kapituliert. Auf die Vereinbarung des Waffenstillstands folgten Friedensverhandlungen zwischen den Kriegsgegnern, die am 28. Juni 1919 in der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Versailles mündeten. Bereits durch die Waffenstillstandsvereinbarung von Compiègne wurden die linksrheinischen Gebiete und ein 10 km breiter Streifen rechts des Rheins zur (von deutschen Truppen) entmilitarisierten Zone erklärt. Der Versailler Vertrag erweiterte diese Zone auf 50 km rechts des Rheins. Die linksrheinischen Gebiete zuzüglich vierer rechtsrheinischer Brückenköpfe vor Köln, Koblenz, Mainz und Kehl sollten durch alliierte Truppen besetzt werden. Die Besetzung der benannten Gebiete erfolgte bereits im Januar 1919 durch amerikanische, belgische, britische und französische Truppen. Diese Maßnahme sollte vornehmlich dem Schutz Frankreichs vor zukünftiger deutscher Aggression dienen. Hinzu trat die Funktion als Druckmittel, um die seitens der alliierten Siegermächte gegen Deutschland erhobenen Reparationsforderungen besser durchsetzen zu können. Der Versailler Vertrag schrieb die Alliierte Rheinlandbesetzung bis zum Jahr 1934 fest. [7]

Neben diesen Entwicklungen an der deutschen Westgrenze erfolgten auch im fernen Berlin grundlegende Umbrüche. Bereits im November 1918 war die Monarchie im Deutschen Reich von der Novemberrevolution hinweggefegt und die Republik ausgerufen worden. Zwar blieb die vorhandene Verwaltungsstruktur und -gliederung sowie der behördliche Mittelbau in den westlichen Gebieten des Landes Preußen hiervon zunächst weitgehend unberührt, jedoch führte die bangende Erwartung der weiteren Entwicklungen in Berlin offenbar zu Verunsicherung innerhalb des Verwaltungsapparats entlang des Rheins. Schließlich war es weitgehend offen, wie die Verwaltung der teilweise besetzten preußischen Provinzen zukünftig ausgestaltet werden könnte. [8]


In diesem Kontext, der militärischen Besetzung weiter Teile des Rheinlandes einerseits und der Rechtsunsicherheit hinsichtlich der weiteren politischen Entwicklung in der neuen deutschen Republik andererseits, ist das behandelte Schreiben des Landeshauptmanns vom 13. Juli 1919 zu sehen. Die Probleme, die der Landeshauptmann vorbrachte, waren jedoch nicht primär von Fragen der großen Politik geprägt, sondern vielmehr ein Ausdruck der ganz konkreten Schwierigkeiten, welche die politische Gesamtsituation für die alltägliche Arbeit der Rheinischen Provinzialverwaltung mit sich brachte.

Worum ging es konkret?

Schon aus der Einleitung der Eingabe ist eine deutliche Verstimmung Ludwig von Renvers herauszulesen. Offenbar war die Provinzialverwaltung der Rheinprovinz, ungeachtet ihrer Stellung als gewichtiger und hochrangigster Selbstverwaltungskörperschaft der Provinz, in den zuvor erfolgten Erörterungen über Änderungen in der Verwaltung der Rheinprovinz weder hinzugezogen noch angehört worden. Der Landeshauptmann wollte nach eigenem Bekunden mit seiner Eingabe an den Oberpräsidenten erreichen, dass die Interessen der Provinzialverwaltung bei der anstehenden Festlegung über Einzelheiten der zukünftigen Verwaltung der Provinz gewahrt würden. [9] Zu diesem Zweck übersandte er Abschriften des Schreibens an den Oberpräsidenten auch an das preußische Innenministerium in Berlin sowie den Provinzialausschuss der Rheinprovinz [10] und ihm nachgeordnete Dienststellen zur Kenntnisnahme. [11] In der Eingabe forderte er den Oberpräsidenten von Groote formell auf, die aufgeführten grundlegenden Gesichtspunkte im weiteren Kontakt mit zuständigen Stellen zu berücksichtigen.

Der Benennung der – seiner Auffassung nach – zu berücksichtigenden Gesichtspunkte vorangestellt, rief Ludwig von Renvers, wohl zur Betonung der Bedeutung seines Anliegens, die wichtigsten Aufgaben der Provinzialverwaltung der Rheinprovinz in Erinnerung. Diese Auflistung macht überaus deutlich, welches umfassende Aufgabenfeld der provinzialen Selbstverwaltung zum damaligen Zeitpunkt zukam. Die Aufgaben reichten von der Verwaltung der Provinzialstraßen, über den Betrieb und die Aufsicht über Lehranstalten, Einrichtungen der Fürsorgeerziehung [12], des Landarmen-, Irren- und Korrigendenwesens [13], Werkstätten und Landwirtschaftsbetriebe sowie der Durchführung der Kriegsversehrten- und Kriegshinterbliebenenfürsorge, der Landwirtschaftsförderung und des Seuchenschutzes, bis hin zum Betrieb verschiedener Versicherungsanstalten und der Landesbank der Rheinprovinz.


Zum Wegenetz der Provinzialstraßen zählte die Mehrheit der überörtlichen Straßenverbindungen mit einer Gesamtstreckenlänge von rund 6.900 Kilometern in der gesamten Rheinprovinz, die sich damals von den rheinländischen Gebieten des heutigen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen über weite Teile des heutigen Rheinland-Pfalz bis in Gebiete der heutigen Bundesländer Saarland und Hessen erstreckte. Im Rahmen der Fürsorgeerziehung beaufsichtigte die Provinzialverwaltung durch eigene Einrichtungen in Fichtenhain, Rheindahlen, Solingen und Euskirchen sowie in 30 Anstalten unter privater Trägerschaft und in Privatfamilien rund 11.000 Minderjährige. Der Aufgabenbereich des Irrenwesens umfasste den eigenen Betrieb von Einrichtungen in Andernach, Bedburg-Hau, Bonn, Düren, Galkhausen, Grafenberg, Johannistal sowie die Aufsicht über 44 privat betriebene Anstalten, in denen insgesamt rund 13.000 Geisteskranke, Idioten und Epileptiker untergebracht waren. Weiterhin betrieb die Provinzialverwaltung sogenannte Blindenanstalten in Düren und Neuwied sowie Taubstummenanstalten in Aachen, Brühl, Köln, Elberfeld, Essen, Euskirchen, Kempen, Neuwied und Trier. Außerdem ein Landarmenhaus in Trier und die Arbeitsanstalt Brauweiler, in der Bettler, Landstreicher und Prostituierte untergebracht waren. Hebammenlehranstalten wurden in Köln und Elberfeld betrieben. [14] Insofern kann der Einwand Ludwig von Renvers, dass die Anliegen der Provinzialverwaltung bei Fragen der künftigen verwaltungstechnischen Ausgestaltung der Rheinprovinz nicht übergangen werden sollten, als durchaus berechtigt betrachtet werden.

Ludwig von Renvers benannte in seiner Eingabe an den Oberpräsidenten folgend drei Hauptrichtungen von Problemen, mit denen sich die Provinzialverwaltung der Rheinprovinz, infolge der Bestimmungen des Waffenstillstands von Compiègne und des Friedensvertrags von Versailles sowie der Alliierten Rheinlandbesetzung, konfrontiert sah:


Das erste grundlegende Problem resultierte aus dem Umstand, dass sich der Sitz der Provinzialverwaltung der Rheinprovinz in Düsseldorf und damit außerhalb des von den Alliierten besetzten Gebietes befand. Dementgegen standen jedoch etwa 4/5 des Gebietes der Rheinprovinz unter alliierter Besatzung. De facto bestand somit Mitte des Jahres 1919 eine (verwaltungstechnische) Grenze, die quer durch den räumlichen Zuständigkeitsbereich der Rheinischen Provinzialverwaltung verlief und die Zentrale in Düsseldorf von einem Großteil der durch sie betreuten Gebiete und Einrichtungen abschnitt. Zwar schottete diese Grenze die unter Besatzung stehenden Gebiete nicht vollkommen gegen die unbesetzten Gebiete ab, sie stellte jedoch anscheinend vor allem ein Hemmnis für die Kommunikation zwischen den beiden Gebieten dar. Nahliegend aufgrund der Furcht der Alliierten vor – aus den unbesetzten Gebieten koordinierten – Widerstands- und Sabotageaktionen, erfolgte eine Zensur des Schriftverkehrs in die besetzten Gebiete. Die telegraphische und telefonische Kommunikation war eingeschränkt. Auch der Übergang von Personen zwischen besetztem und unbesetztem Gebiet war wohl nicht ohne erheblichen Aufwand möglich. [15] In letzterem sah Landeshauptmann von Renvers vor allem dahingehend ein potentielles Problem, dass zwischen verschiedenen Einrichtungen der Provinzialverwaltung keine ungehinderte „Überführung von Pfleglingen“ mehr möglich sei und Einrichtungen, deren Zuständigkeitsbereich für Pfleglinge und Hilfsbedürftige der gesamten Provinz vorgesehen wäre, in ihrer Funktionsausübung beeinträchtigt werden könnten. Des Weiteren beklagte von Renvers in seiner Eingabe, dass Schreiben in die besetzten Gebiete sehr häufig erst nach zwei bis sechs Wochen zu ihrem Empfänger gelangen würden und zudem nie sichergestellt sei, ob die Schreiben – aufgrund der von den Alliierten durchgeführten Zensur – überhaupt ihren Bestimmungsort erreichen würden. Die Durchführung einer geregelten Verwaltungstätigkeit, insbesondere im Falle eiliger Angelegenheiten, sei unter diesen Umständen, so die Kritik durch den Landeshauptmann, kaum noch möglich. Er verwies in seiner Eingabe in diesem Zusammenhang auch darauf, dass die Düsseldorfer Zentrale der Provinzialverwaltung keine reine Aufsichts- und Genehmigungsbehörde darstelle, sondern die alleinige Zuständigkeit für alle wichtigen Verwaltungsentscheidungen innehabe und die finanzielle Verantwortlichkeit für die Tätigkeiten all ihrer nachgeordneten Einrichtungen gegenüber dem Provinzialausschuss und dem Provinziallandtag [16] trage. [17] Insofern wirkte also die Bündelung nahezu aller Entscheidungskompetenzen der Provinzialverwaltung in Düsseldorf und das weitgehende Fehlen nachgeordneter Instanzen mit eigenständiger Handlungsbefugnis, die bis dahin im Sinne einer schlankeren Verwaltung und geringerer innerer Kompetenzkonflikte eher einen Vorteil dargestellt hatte, unter den neuen politischen Rahmenbedingungen kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs extrem kontraproduktiv.

Das zweite grundlegende Problem aus Sicht Ludwig von Renvers stellten die umfangreichen Requisitionen von Gebäuden und Einrichtungen der Provinzialverwaltung durch die Alliierte Besatzung dar. Die Siegermächte des Ersten Weltkriegs beschlagnahmten zahlreiche Räumlichkeiten, die größere Gebäudekomplexe innerhalb der Besatzungsgebiete boten, vornehmlich um dort ihre Besatzungstruppen einquartieren zu können. [18] Nach Auffassung von Renvers waren Einrichtungen der Rheinischen Provinzialverwaltung im Vergleich zu Einrichtungen anderer Verwaltungsbehörden in diesem Gebiet von solchen Requisitionen in überproportionalem Ausmaß betroffen. Er mahnte an, dass die Wahrnehmung einzelner Aufgaben, wie beispielsweise das Blindenunterrichtswesen, aufgrund der Requisitionen bereits vollkommen zum Erliegen gekommen sei und dass daher das zwingende Erfordernis bestehe, auf einen diesbezüglichen Interessensausgleich mit den Besatzungsbehörden hinzuwirken. [19]

Als drittes grundlegendes Problem betrachtete von Renvers die unklare Rechtslage bezüglich der aus dem deutschen Territorium herausgelösten Gebiete, die zuvor der Rheinprovinz zugehört hatten. Der Friedensvertrag von Versailles hatte die Abtretung großer Territorien des Deutschen Reiches an die Siegermächte des Krieges und an seine Nachbarstaaten verfügt. Die flächenmäßig bedeutendsten dieser Abtretungen bestanden zwar in den deutschen Kolonien, dem Reichsland Elsaß-Lothringen und weiten Teilen der Provinzen Westpreußen und Posen, jedoch war mit der Übergabe von Eupen-Malmedy an Belgien auch ein Teil der Rheinprovinz seit Kriegsende kein deutsches Staatsgebiet mehr. Seither waren die Eigentumsrechte deutscher Verwaltungsorgane in diesem Gebiet strittig. [20] Im Falle der Rheinischen Provinzialverwaltung betraf dies vor allem Provinzialstraßen, die Provinzial-Irrenanstalt Merzig und Meliorationen [21] im Kreis Malmedy. Des Weiteren bestand Rechtsunsicherheit darüber, wem künftig die Zuständigkeit für die Wahrnehmung von Aufgaben der Provinzialverwaltung in diesen Gebieten zufallen sollte. Im Falle zukünftig entstehender Aufgaben musste dies zwar keine Sorge der Rheinischen Provinzialverwaltung sein, wohl aber im Falle solcher Aufgaben, die aus zum Zeitpunkt der Gebietsabtretung bereits erworbenen Ansprüchen resultierten. Landeshauptmann von Renvers benannte in seiner Eingabe dementsprechend auch als vornehmliche Problemfelder die Angelegenheiten der Ruhegehaltskassen und der Witwen- und Waisenversorgungsanstalt für die Kommunalbeamten der Rheinprovinz. [22]


Was folgte?

Die nachfolgenden Entwicklungen aus Sicht der Rheinischen Provinzialverwaltung sind durch die Akte, aus welcher das hier vorgestellte Schriftstück stammt, in weiten Teilen nachzuvollziehen. Diese Akte behandelt „die Entwicklung des Rheinlandes nach dem Kriege infolge der Revolution und der Besetzung durch fremde Truppen“ und bildet den Zeitraum von 1918 bis 1930 ab. [23] Ein direktes Antwortschreiben Rudolf von Grootes ist in der Akte nicht enthalten. [24] Mit einem Schreiben vom 17. Juli 1919 forderte von Renvers die Mitglieder des Provinzialausschusses, den Vorstand der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz sowie die Direktoren der Landesbank der Rheinprovinz und der Provinzial-Feuerversicherungsanstalt auf, weitere Stellungnahmen zu den von ihm gegenüber Rudolf von Groote vorgebrachten Problemen beizubringen, um diese in etwaigen weiteren Verhandlungen verwenden zu können. [25] Wahrscheinlich stand dieser Schritt in Zusammenhang mit einer bereits am 14. Juli 1919 [26] durch den Oberpräsidenten ergangenen Einladung des Landeshauptmanns zu einer gemeinsamen Besprechung mit dem am 17. Juni 1919 durch die preußische Staatsregierung zum Reichs- und Staatskommissar für die besetzten Gebiete ernannten Kölner Regierungspräsidenten, Karl von Starck, und anderen Teilnehmern. Gegenstand der Besprechung war die Ausführung des am 28. Juni 1919 (zeitgleich mit dem Versailler Friedensvertrag) geschlossenen Abkommens über die militärische Besetzung der Rheinlande. [27] Gegenüber dem Provinzialausschuss legte Landeshauptmann von Renvers am 31. Juli 1919 dar, dass auf dieser Besprechung die bestehenden Schwierigkeiten für die Verwaltungen der besetzten Gebiete erörtert worden seien, der Reichskommissar für die besetzen Gebiete seine Funktion (als Mittler zu den Besatzungsmächten) jedoch erst mit der Ratifikation des Friedensvertrags aufnehmen könne. Bis dahin halte der Oberpräsident der Rheinprovinz weiterhin die Waffenstillstandskommission für zuständig. Mit letzterer stehe der preußische Minister des Inneren in Kontakt. [28] Bis zum Jahresende scheint seitens der Rheinischen Provinzialverwaltung der Behandlung des Problemfeldes Eupen-Malmedy noch einige Beachtung zugekommen zu sein, [29] konkrete Hinweise auf eine weitere Bearbeitung der anderen durch von Groote am 13. Juli 1919 aufgeworfenen Problemfelder bis zum Anfang des Jahres 1920 finden sich in der vorliegenden Akte hingegen nicht. Mit dem Beginn des Jahres 1920 trat die durch das Rheinlandabkommen vorgesehene Interalliierte Rheinlandkommission mit Sitz beim Oberpräsidium der Rheinprovinz in Koblenz ihre Arbeit an, die als Abstimmungsorgan der Alliierten Besatzungsmächte fungierte und gegenüber den deutschen Behörden weisungsbefugt war. Das 1919 eingerichtet Reichskommissariat für die besetzten rheinischen Gebiete handelte von diesem Zeitpunkt an als Vertreter der deutschen Interessen gegenüber der Interalliierten Kommission, war also in der Folge auch für die Wahrnehmung der Interessen der Rheinischen Provinzialverwaltung zuständig. Eine dahingehende Betrachtung, inwiefern es dem Reichskommissariat gelang den seitens der Rheinischen Provinzialverwaltung vorgebrachten Problemen Abhilfe zu schaffen oder ob einige Missstände bereits im Vorfeld durch das preußische Innenministerium ausgeräumt werden konnten, würde jedoch den Rahmen der vorliegenden Darstellung sprengen.

Zeitweise wurden Anfang der 1920er Jahre, infolge ausbleibender Reparationszahlungen, auch noch weitere rechtsrheinische Gebiete im Zuständigkeitsbereich der Rheinischen Provinzialverwaltung durch die Alliierten besetzt. Die Aufhebung der Alliierten Rheinlandbesetzung erfolgte schrittweise seit Mitte des Jahres 1924. Sie endete schlussendlich mit dem Abzug der letzten Besatzungstruppen am 30. Juni 1930.

Bearbeitung: Stefan Dünker

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Fußnoten

[1] Der Landeshauptmann war der höchste Beamte der provinzialen Selbstverwaltung in der preußischen Rheinprovinz und wurde durch den Provinziallandtag gewählt.

[2] Ludwig Renvers (geb. am 17.12.1855 in Aachen, verst. am 17.04.1936 in Arnsberg); Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Berlin, Leipzig und Bonn; 1877 Gerichtsreferendar; 1877-1878 Einjährig-Freiwilliger Militärdienst, Ausscheiden als Leutnant der Reserve; 1879 Promotion zum Dr. jur.; 1883 Gerichtsassessor; 1884-1888 Regierungsassessor in Trier; 1888-1889 Landrat von Saarlouis; 1889 Wechsel zum Kultusministerium in Berlin; 1890 Ernennung zum Regierungsrat; 1901-1903 Regierungspräsident von Arnsberg; 1903-1921 Landeshauptmann der Rheinprovinz; 1905 Erhebung in den Adelsstand. Vgl. LWL: Ludwig (von) Renvers.

[3] Der Oberpräsident war der oberste Beamte der staatlichen Verwaltung in den preußischen Provinzen und fungierte als lokaler Stellvertreter der preußischen Ministerien.

[4] Rudolf Felix Joseph von Groote (geb. am 09.11.1858 in Bonn, verst. am 10.05.1922 in Maria Laach); aufgewachsen in Ahrweiler; 1878-1881 Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Heidelberg, Berlin und Bonn; Referendariat an den Landgerichten Koblenz und Bonn; ab 1883 Referendariat bei den Regierungen Düsseldorf, Stettin und Berlin; 1887 Regierungsassessor in Trier; 1888-1918 Landrat des Kreises Rheinbach (bis 1889 kommissarisch); seit 1908 Vorsitzender der Landwirtschaftskammer Rheinland; seit 1913 Ehrenbürger der Stadt Rheinbach; 1918-1922 Oberpräsident der Rheinprovinz. Vgl. Lilla: Rudolf von Groote; Formanski: Rudolf Felix Joseph von Groote, S. 79-87.

[5] Eine Paraphe ist ein auf wenige Zeichen (häufig Initialen) verkürztes Namenszeichen. Sie wird innerhalb von Verwaltungen häufig anstelle einer eigenhändigen Unterschrift verwendet. Im vorliegenden Fall weist die Paraphe den Entwurf des Schreibens als von Ludwig von Renvers persönlich abgezeichnet aus.

[6] Vgl. ALVR 8693, Bl. 63-65.

[7] Vgl. Büttner: Weimar, S. 349-359; Erdmann: Der Erste Weltkrieg, S. 132-139 u. 198 218; Mommsen: Urkatastrophe, S. 143-150; Niedhart: Außenpolitik, S. 8-10; Steegmanns: Finanzielle Folgen, S. 15-21. Zu den konkreten Bestimmungen des Waffenstillstandes und des Friedensvertrages vgl. Waffenstillstandsbedingungen vom 11. November 1918 und Friedensvertrag von Versailles vom 28. Juni 1919.

[8] Vgl. Büttner: Weimar, S. 265-295; Erdmann: Der Erste Weltkrieg, S. 141-197. Zu ersten Handlungsschwerpunkten der deutschen Nachkriegspolitik und unitarischen Bestrebungen einschließlich einer angestrebten Reichsgebietsreform (Verfassungsentwurf von Hugo Preuß) vgl. Wirsching: Weimarer Republik, S. 1-10. Zudem aufschlussreich bezüglich Rolle und Haltung Preußens und der konkreten Lage im Rheinland unmittelbar nach Kriegsende: Köhler: Preußen, S. 39-47.

[9] Vgl. ALVR 8693, Bl. 63 u. 65. Die Anliegen Ludwig von Renvers waren offenbar bereits zuvor von seinem Stellvertreter und späteren Nachfolger, Johannes Horion, mündlich vertretenden worden. Vgl. ebd., Bl. 63.

[10] Der Provinzialausschuss wurde durch den Provinziallandtag gewählt und war für Vorbereitung und Ausführung von dessen Beschlüssen zuständig.

[11] Vgl. ALVR 8693, Bl. 62 u. 70.

[12] Heute als „Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ bezeichnet.

[13] Hier und nachfolgend wird weitgehend die heute nicht mehr gebräuchliche Terminologie der damaligen Zeit beibehalten. Aus heutiger Sicht unangemessen erscheinende Bezeichnungen werden kursiv gesetzt.

[14] Vgl. ALVR 8693, Bl. 63 f.

[15] Vgl. ALVR 8693, Bl. 64.

[16] Der Provinziallandtag war das legislative Gremium der provinzialen Selbstverwaltung in der preußischen Rheinprovinz und wurde von den Kreisen und kreisfreien Städten der Provinz gewählt.

[17] Vgl. ALVR 8693, Bl. 64.

[18] Vgl. Steegmans: Finanzielle Folgen, S. 106-118, insbes. 110-113. Steegmans verweist für die erste Phase der Rheinlandbesetzung bis 1924 vor allem auf die große Anzahl von requirierten Schulgebäuden, ohne jedoch genauer nach den Eigentumsverhältnissen dieser Immobilien zu differenzieren.

[19] Vgl. ALVR 8693, Bl. 64 f.

[20] Vgl. Erdmann: Der Erste Weltkrieg, S. 198-208; Friedensvertrag von Versailles vom 28. Juni 1919.

[21] Meliorationen waren landwirtschaftliche (Groß-)Betriebe in Trägerschaft der kommunalen oder provinzialen Selbstverwaltung.

[22] Vgl. ALVR 8693, Bl. 65.

[23] Vgl. ALVR 8693; vertiefende Einblicke in spezielle Betrachtungsgegenstände des vorliegenden Kontextes (bspw. zur Erfassung von Besatzungsschäden in Dienststellen der Provinzialverwaltung oder zum Problembereich Eupen-Malmedy) scheinen in weiterem Archivgut in den Beständen des Archivs des Landschaftsverbandes Rheinland enthalten zu sein. Eine systematische Auswertung dieser Unterlagen könnte sich für die historische Forschung gegebenenfalls als gewinnbringend erweisen, zumal soweit zu ermitteln für die ersten Jahre der Alliierten Rheinlandbesetzung bislang kaum detaillierte jüngere Untersuchungen vorliegen, die über einen rein lokalhistorischen Betrachtungsfokus hinausreichen. Ergänzende Überlieferungen könnten auch in den Beständen des Landesarchivs NRW und des Landeshauptarchivs Koblenz (Oberpräsidium der Rheinprovinz), bei der Stiftung preußischer Kulturbesitz (Preußisches Ministerium des Inneren) oder beim Bundesarchiv (Reichskommissariat für die besetzten rheinischen Gebiete) zu finden sein.

[24] Allerdings wurden einige, ursprünglich in die Fadenheftung integrierte Seiten der Akte nachträglich entfernt. Vgl. ALVR 8693, bspw. zwischen Bl. 75 u. 76.

[25] Vgl. ALVR 8693, Bl. 70.

[26] Es ist nicht auszuschließen, dass sich die Eingabe des Landeshauptmanns vom 13. Juli 1919 und die Einladung des Oberpräsidenten vom 14. Juli 1919 auf dem Postweg kreuzten.

[27] Vgl. ALVR 8693, Bl. 76 sowie Lilla: Reichskommissar. Zu den vorgesehenen Aufgaben und Befugnissen des Reichskommissars vgl. ALVR 8693, Bl. 77f, 92 sowie 112-114. Zum Abkommen vgl. RGBl. 1919, S. 1336-1349.

[28] Vgl. ALVR 8693, Bl. 89.

[29] Vgl. ALVR 8693, u.a. Bl. 79, 86f. od. 92.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Abkommen betreffend die militärische Besetzung der Rheinlande, in: Reichsgesetzblatt 1919, S. 1336-1349.

Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland (ALVR), Bestand 0 Besatzung – Besatzung und Verschiedenes, 8693, Bl. 62-114.

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Wirsching, Andreas: Die Weimarer Republik. Politik und Gesellschaft (=Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 58), 2. Auflage, München 2008.

Bildquellen

ALVR, Bestand 0 Besatzung – Besatzung und Verschiedenes, 8693, Repro: Stefan Dünker.

N.N.: Ludwig von Renvers (1855–1936). Porträtgemälde im Besitz im Besitz des LVR-AFZ, Repro: Stefan Dünker.

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