Seit vielen Jahren setzt sich der Landschaftsverband Rheinland (LVR) mit der Aufarbeitung seiner eigenen Geschichte vor, während und nach der NS-Zeit auseinander. So hat sich der LVR zum Beispiel im Rahmen einer externen, wissenschaftlichen Aufarbeitung mit der Geschichte der Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen in Einrichtungen des LVR von 1945 bis 1985 beschäftigt. Mit dem vor dem Landeshaus des LVR in Köln-Deutz aufgestellten "Denkmal der Grauen Busse" bekennt sich der LVR zu der Rolle und Beteiligung seiner Vorgängereinrichtungen am Massenmord von fast 10.000 psychisch kranken Menschen aus dem Rheinland in der Zeit des Nationalsozialismus.
Der Blick richtet sich bei dieser Aufarbeitung auch auf ehemalige Funktionsträger, wie den ehemaligen LVR-Direktor Dr. h.c. Udo Klausa (1910-1998), der von 1954 bis 1975 den Verband leitete. 2012 veröffentlichte die Londoner Historikerin Mary Fulbrook die Studie "A Small Town Near Auschwitz: Ordinary Nazis and the Holocaust". Diese Studie liegt nun auf Initiative des LVR in einer deutschen Übersetzung vor und wurde am 19. November 2015 in Anwesenheit von LVR-Direktorin Ulrike Lubek und der Autorin Prof. Mary Fulbrook der Presse vorgestellt.
Im Mittelpunkt dieser Studie steht neben der Frage, wie "gewöhnliche" Deutsche am Holocaust mitgewirkt haben, auch ganz konkret die Person Udo Klausa, der von 1940 bis 1942 im oberschlesischen Bedzinie, knapp 40 Kilometer von Auschwitz entfernt, als Landrat wirkte. Er hat nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem als erster Landesdirektor des 1953 gegründeten LVR Karriere gemacht und übernahm hier als Verwaltungschef Verantwortung für Menschen mit Behinderungen.
Mary Fulbrook: Eine kleine Stadt bei Auschwitz. Gewöhnliche Nazis und der Holocaust. (Rheinprovinz. Dokumente und Darstellungen zur Geschichte der rheinischen Provinzialverwaltung und des Landschaftsverbandes Rheinland, Bd. 23). Essen: Klartext Verlag 2015, 490 S. mit 21 Abb.; 34,95 €)
