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Archive
im Rheinland

News vom 10. Dezember 2015

Restaurierung, Massenentsäuerung, Sicherungsverfilmung und Digitalisierung

Das Bestandserhaltungsprogramm des Archivs der evangelischen Gemeinde Frechen - ein Kooperationsprojekt mit dem LVR-AFZ

Am 10. Dezember stellen Almuth Koch-Torjuul, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Frechen, Dr. Lothar Weiß, Archivbeauftragter und Presbyter der Evangelischen Kirchengemeinde Frechen, Dr. Stefan Flesch, Leiter des Archivs der evangelischen Kirche im Rheinland, Christian Parow-Souchon M. A., Leiter des Archivs des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Umgebung, Diplom-Archivar Alexander Entius, Leiter des Archivs der Stadt Frechen, und Dr. Claudia Kauertz, Leiterin der Archivberatung im LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum (LVR-AFZ), das außergewöhnliche Bestandserhaltungs- und Modernisierungsprogramm des Archivs der Evangelischen Kirchengemeinde Frechen vor. Mit diesem Programm, das seit 2012 in enger Kooperation zwischen den genannten, kirchlichen und kommunalen Archiven entwickelt und vom LVR-AFZ umgesetzt wurde, nimmt das Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Frechen unter den evangelischen Gemeindearchiven des Rheinlandes eine Sonderstellung ein.

Die Evangelische Kirchengemeinde Frechen – eine der ältesten evangelischen Gemeinden des Rheinlands

Die Evangelische Kirchengemeinde Frechen im ehemaligen Herzogtum Jülich ist die älteste evangelische Gemeinde im Rhein-Erft-Kreis und eine der ältesten evangelischen Gemeinden des Rheinlands. Im Jahr 1543 wurde hier die erste evangelische Predigt gehalten. Damit ist die Gemeinde Frechen, die ursprünglich dem reformierten Bekenntnis angehörte, aber im 19. Jahrhundert der Union beitrat, die Keimzelle von zehn evangelischen Gemeinden in Köln und Umgebung, die alle geschichtliche Verbindungen mit der Gemeinde Frechen haben. Die heutige evangelische Kirche an der Hauptstraße in Frechen datiert in das Jahr 1717. Sie wurde mit Hilfe niederländischer Calvinisten als sog. Hauskirche errichtet. Anstatt eines Turmes trug sie einen Dachreiter, den bis heute eine Wetterfahne in Form eines Posaunenengels, der sogenannte Geusen-Daniel, schmückt. Die Pfarrerwohnung, die ursprünglich unter einem mit Schiefer gedeckten, abgewalmten Dach in das Kirchengebäude integriert war, wurde 1913 abgerissen. Nach den Plänen des Kölner Architekturbüros Schreiterer & Below, eines der bedeutendsten deutschen Architekturbüros seiner Zeit, fand in den Jahren 1914 bis 1921 ein kompletter Umbau statt. Der Gottesdienstraum wurde durch einen Gemeindesaal erweitert, auch kamen ein Glockenturm und ein neuer Eingang hinzu. Ein zweiter Umbau im Jahr 1955 führte zu einer Erweiterung der Kirche nach Norden. 1969 wurde das Kirchengebäude noch einmal gründlich renoviert.

Der historische Wert des Gemeindearchivs

Die Evangelische Gemeinde Frechen verfügt über einen bedeutenden Archivbestand, der die Geschichte der Gemeinde und ihrer Mitglieder seit dem 16. Jahrhundert eindrucksvoll dokumentiert. Besonderen historischen Wert besitzen die Kirchenbücher, in denen Taufen, Konfirmationen, Abendmahlsteilnahmen, Trauungen und Beerdigungen festgehalten wurden, sowie die erhaltenen Protokollbände. Die Protokolle enthalten dabei nicht nur Informationen über die Gemeindeleitung, sondern geben zusätzlich Auskunft über die Synoden, d. h. die Versammlungen der evangelischen Gemeinden im Rheinland. Als weitere Besonderheit sind im Archiv auch die Originalpläne der Kölner Architekten Emil Schreiterer (1852-1923) und Bernhard Below (1854-1931) zum Kirchenumbau erhalten. Schließlich sind im Archiv der evangelischen Gemeinde Frechen historische Chroniken, Vermögensverzeichnisse, Kollekten- und Kassenbücher sowie Steuerlisten zu finden, die wichtige Quellen für die Kirchen-, Stadt- und Wirtschaftsgeschichte darstellen.

Der Archivbestand befindet sich zum größten Teil als Depositum im Archiv des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Die Pläne des Architekturbüros Schreiterer & Below, die zugleich wichtige Quellen zur Geschichte der Stadt Frechen darstellen, hingegen werden als Depositum im Stadtarchiv Frechen verwahrt. Die Bestände können in beiden Archiven auf Antrag von jedem Interessierten eingesehen und benutzt werden.

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Das Bestandserhaltungs- und Modernisierungsprogramm

In enger Kooperation mit dem Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, dem Archiv des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, dem Stadtarchiv Frechen und dem LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum hat das Presbyterium der evangelischen Gemeinde Frechen seit 2012 unter der Leitung seines Archivbeauftragten Dr. Lothar Weiß ein umfangreiches Bestandserhaltungs- und Modernisierungsprogramm entwickelt, um die wertvollen Originale auch für die kommenden Generationen dauerhaft zu erhalten und den Wert des Archivs in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Dafür stellte die Kirchengemeinde nicht nur eigene Mittel bereit, sondern erhielt auch Förderung durch den Bund, das Land Nordrhein-Westfalen, das Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland und nicht zuletzt durch den Landschaftsverband Rheinland.

Das umfangreiche Bestandserhaltungs- und Modernisierungsprogramm der evangelischen Gemeinde Frechen, das 2016 beendet wird, umfasst neben der Restaurierung beschädigter Einzelobjekte (Kirchenbücher, Protokolle und Pläne) die Aufnahme der jüngeren Protokollbände und Kirchenbücher in die Landesinitiative Substanzerhalt (LISE) zur Massenentsäuerung des vom endogenen Papierzerfall bedrohten Archivguts, die Teilnahme der älteren Bestände am Programm der Bundessicherungsverfilmung sowie die Digitalisierung der Sicherungsfilme. Durchgeführt wurden sämtliche genannten Maßnahmen unter maßgeblicher Beteiligung des LVR-AFZ.

Teilnahme an der Landesinitiative Substanzerhalt (LISE)

Seit 2006 stellt das Land Nordrhein-Westfalen mit der Landesinitiative Substanzerhalt (LISE) ein Förderprogramm zur Massenentsäuerung vom endogenen Papierzerfall bedrohten Archivguts seit 1840 bis ca. 1970 bereit, das von nichtstaatlichen Archiven in Anspruch genommen wird und von den beiden Archivberatungsstellen der Landschaftsverbände für den jeweiligen Landesteil umgesetzt wird. Im 19. Jahrhunderts erfasste die Industrialisierung auch die Papierherstellung. Papier wurde zum industriellen Massenprodukt, das zwischen ca. 1840 und 1970 unter Verwendung von Holzschliff (zerkleinertes Holz) hergestellt und mit sauren Harzleimen stabilisiert wurde. Die so hergestellten Papiere wiesen schon bei ihrer Herstellung einen sauren pH-Wert auf, wobei der Säuregehalt auf die Dauer einen Abbau- und Zerfallsprozess in Gang setzt. Das Papier und die darauf enthaltenen Informationen sind demzufolge in ihrem Erhalt bedroht. Durch die seit den 1970er-Jahren entwickelten Verfahren der Massenentsäuerung von Papier kann dieser Prozess deutlich verlangsamt werden. Dabei stehen zwei Verfahren zur Verfügung: die Einzelblattentsäuerung zur Behandlung von losem Archivgut und die Blockentsäuerung zur Behandlung von gebundenem Archivgut.

Da auch die jüngeren Kirchen- und Protokollbücher der Gemeinde Frechen vom Papierzerfall bedroht sind, wurden sie in die Blockentsäuerung des LISE-Programms aufgenommen. Das Gemeindearchiv Frechen ist dabei das erste und bisher einzige Archiv einer (evangelischen) Kirchengemeinde, das an der Blockentsäuerung der "Landesinitiative Substanzerhalt" teilgenommen hat, um seine Überlieferung für die Zukunft zu sichern.

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Teilnahme am Programm der Bundessicherungsverfilmung

Eine weitere Maßnahme zur Sicherung der historischen Information, die die Evangelische Gemeinde Frechen bislang als eine der wenigen evangelischen Gemeinden im Rheinland in Anspruch genommen hat, ist das Programm der Bundessicherungsverfilmung, das in Zeiten des Kalten Krieges entwickelt wurde und seit 1961 speziell zur Sicherung der unikalen archivischen Überlieferung existiert. Im Rahmen dieses Kulturgutschutz-Programms, werden besonders wertvolle historische Bestände auch aus nichtstaatlichen Archiven auf Mikrofilm aufgenommen, um so die Inhalte auch nach einem eventuellen Totalverlust der Originale im Kriegs- oder Katastrophenfall weiter vorhalten zu können. Die Mikrofilme werden im sog. Barbarastollen in der Gemeinde Oberried bei Freiburg im Schwarzwald eingelagert, der dem Sonderschutz der UN unterliegt und einer der bestgeschützten Orte Deutschlands ist. Derzeit lagern hier ca. 30.000 km Mikrofilme in einer Tiefe von 400 Metern.

Der Mikrofilm ist heute immer noch das sicherste Medium zur analogen Langzeitsicherung von Information, da er bei sachgerechter Lagerung eine Haltbarkeit von mind. 500 Jahren besitzt und mit einfachsten Mitteln lesbar ist. Demgegenüber haben modernde digitale Speichermedien nur eine Haltbarkeit von höchstens wenigen Jahrzehnten.

Die Sicherungsverfilmung ist für die teilnehmenden Archive kostenlos. Lediglich für die Duplikatfilme, die auf Wunsch der Archiveigentümer hergestellt werden, und eine eventuelle Digitalisierung der Filme fallen Kosten an. Die Sicherungsverfilmung wird für das Rheinland über das LVR-AFZ organisiert und im Landesarchiv NRW – Abteilung Rheinland in Duisburg durchgeführt.

Digitalisierung der Sicherungsfilme und Präsentation der Findbücher im Archivportal NRW

Außer den genannten Vorteilen bietet die Sicherungsverfilmung noch einen weiteren Pluspunkt. Der Sicherungsfilm lässt sich leicht und kostengünstig digitalisieren, so dass die Digitalisate anstelle des Originals zu dessen Schutz vorgelegt oder auch im Internet zur Verfügung gestellt werden können.

Von den Sicherungsfilmen des Archivs der Evangelischen Gemeinde Frechen wurden von der Reprografie des LVR-AFZ rund 60.000 Digitalisate angefertigt. Auf einem leistungsfähigen Notebook sollen zumindest die Digitalisate der älteren Überlieferung künftig allen Interessierten ortsnah im Stadtarchiv Frechen zur Verfügung stehen. Für Informationen ab dem 20. Jahrhundert gibt es wegen der bestehenden archiv-, datenschutz- und urheberrechtlichen Bestimmungen allerdings Grenzen.

Künftig beabsichtigt das Frechener Presbyterium – und dies ist wiederum eine Premiere für eine evangelische Kirchengemeinde in Nordrhein-Westfalen -, die Findbücher, die die Inhalte des Gemeindearchivs erschließen, im Lauf des Jahres 2016 im regionalen Archivportal „archive.nrw.de“ zu präsentieren. Damit werden die Unterlagen des Gemeindearchivs weltweit für Online-Recherchen zur Verfügung stehen.

Das Portal "archive.nrw.de" ist das zentrale landesweite Fachportal für Informationen über Archive und deren Bestände. Es wird vom Landesarchiv Nordrhein-Westfalen in Duisburg betrieben.