Franziskus Graf Wolff Metternich mit Kollegen des Kunstschutz. Copyright: Bildarchiv Foto Marburg / Hartwig Beseler
Der deutsche militärische Kunstschutz in Frankreich (und in Europa) im Zweiten Weltkrieg agierte in den besetzten Ländern gegen die Kunstraub betreibenden Institutionen und Personen, insbesondere gegen Hermann Göring und den Einsatzstab-Reichsleiter Rosenberg. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Kunstschutzes ist angesichts der disparaten Überlieferungssituation der in deutschen, französischen, englischen und amerikanischen Archiven verstreut vorhandenen Quellen bis heute weitgehend ein Forschungsdesiderat geblieben. Die Erstellung eines sachthematischen Inventars zum Kunstschutz und Kunstraub im Zweiten Weltkrieg, das die in diversen Archiven weltweit überlieferten Quellen zum Thema virtuell zusammenführt, ist daher nicht nur für die Provenienzforschung von besonderem Wert.
Anlass für das Projekt war die seit 2013 in drei Tranchen erfolgte Übergabe des Nachlasses von Franziskus Graf Wolff Metternich (1893–1978) an die Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e. V. (VAR). Deren Geschäftsstelle befindet sich im LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum (LVR-AFZ), das auch die Projektbetreuung übernimmt. Der Bonner Kunsthistoriker Wolf Metternich bekleidete von 1928 bis 1950 das Amt des Provinzialkonservators für die Rheinprovinz und wurde im Mai 1940 zum Leiter des militärischen Kunstschutzes in Frankreich beim Oberkommando des Heeres berufen. In seinem Nachlass befindet sich neben persönlichen Dokumenten die bislang wohl vollständigste erhaltene Überlieferung zum Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg.
Der Nachlass befand sich jahrzehntelang in Familienbesitz und war für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Erst das Interesse des russischen Regisseurs Alexander Sokurov am Thema Kunstraub und der Person Wolff Metternichs veranlasste die Familie zur Deponierung des Nachlasses bei den VAR. Nach dessen Erschließung, die in den Jahren 2013 bis 2016 durch das LVR-AFZ erfolgte, steht der Nachlass nun der Forschung uneingeschränkt zur Verfügung. Sokurovs Film „Frankofonia“ erlebte Ende Januar 2016 im Beisein der Familie Wolff Metternich seine Kino-Premiere.
Seit dem 1. September 2016 finanziert die Bundesstiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg zwei Projektstellen – eine Vollzeit-Stelle für eine Kunsthistorikerin sowie eine halbe Stelle für eine Archivarin – zur Erstellung eines sachthematischen Inventars. Innerhalb von zwei Jahren wird ein Sachinventar zur wesentlichen Überlieferung des Kunstschutzes im Zweiten Weltkrieg entstehen, das die den zentralen Nachlass Wolff Metternich ergänzenden Archivquellen in deutschen, französischen, belgischen, amerikanischen und englischen Archiven zusammenstellt und damit ein wesentliches Hilfsmittel für die internationale Provenienzforschung bietet. Mit den Dokumenten aus dem Nachlass Franziskus Graf Wolff Metternich und deren Abgleich mit der Gegenüberlieferung in anderen, internationalen Archiven werden die Strukturen und Netzwerke des Kunstschutzes im Zweiten Weltkrieg erstmals sichtbar gemacht.
Das archivische Sachinventar entsteht in Form einer Online-Datenbank mit begleitender Print-Publikation zur wissenschaftlichen Einordnung. Nach Projektende ist für Herbst 2019 die Präsentation der Ergebnisse anlässlich einer internationalen wissenschaftlichen Fachtagung im LVR-Kulturzentrum Abtei Brauweiler geplant.