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10. März 2021

Urkundenprojekt

Restaurierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen für das Stadtarchiv Kerpen

Im Zuge eines Projektes mit dem Stadtarchiv Kerpen konnten Anpassungen und Neuerungen, die in den vergangenen Monaten im Technischen Zentrum hinsichtlich der Verknüpfung von Restaurierung und Digitalisierung entwickelt wurden, in die Tat umgesetzt werden.

Der Bestand „Archiv Burg Hemmersbach“, das Archiv der Reichsgrafen Berghe von Trips zu Burg Hemmersbach, der als Depositum der „Gräflich Berghe von Trips‘schen Sportstiftung zu Burg Hemmersbach“ im Stadtarchiv Kerpen verwahrt wird, zählt zu den wichtigsten und wertvollsten Beständen des Stadtarchivs Kerpen. Die darin enthaltenen Dokumente dokumentieren nicht nur das Leben der Familie Berghe von Trips, der Herren auf Burg Hemmersbach und ihrer Herrschaften, sondern halten auch eine Fülle von Quellenmaterial zur Geschichte von Horrem und Sindorf und der ganzen Region vom Spätmittelalter über die Frühe Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert bereit.

Das Stadtarchiv Kerpen, das den Archivbestand erst vor wenigen Jahren übernahm, veranlasste 2020, die Schäden der Vergangenheit beheben und eine umfassende Schutzrestaurierung zunächst der etwa 350 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Pergament- und Papierurkunden vornehmen zu lassen. Insbesondere waren die an die Urkunden angehängten Wachs- und Lacksiegel völlig unzureichend geschützt und verpackt, so dass sie Gefahr liefen, weiter beschädigt zu werden. Die älteste Urkunde stammt aus dem Jahr 1375 und bestätigt den Verkauf der Unterherrschaft Sindorf an Scheiffart von Merode, mit der jüngsten Urkunde aus dem Jahr 1796 erhebt Kaiser Franz II. den Obristjägermeister Franz Adolph Anselm Berghe von Trips in den Reichsgrafenstand.

Das Technische Zentrum des Archivberatungs- und Fortbildungszentrums des Landschaftsverbands Rheinland übernahm nach eingehender Prüfung die Restaurierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen. Nach einer umfassenden konservatorischen Behandlung der Urkunden in der dortigen Restaurierungswerkstatt wurden alle Urkunden professionell und detailliert digitalisiert, die Siegel jeweils mit einer eigenen Aufnahme.

Um eine bestandsschonende Digitalisierung garantieren und durchführen zu können, wurde jede Urkunde zunächst in der Werkstatt für Papierrestaurierung begutachtet und gereinigt. Eine Reinigung, z.B. mit verschiedenen Pinseln, Bürsten und einem Naturkautschukschwamm, schützt die historischen Schriftträger und optimiert das Digitalisierungsergebnis.

Besondere Vorsicht liegt bei Pergamenturkunden auf den abgehängten Wachssiegeln und bei Papierurkunden auf den aufgedrückten Siegeln aus Siegellack, die teils mit Papiertekturen versehen wurden. Die Siegel können sehr fragil und zum Teil beschädigt sein, so dass vor der Digitalisierung auch hier Reinigungs- und Sicherungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Nach der Reinigung der Siegel waren die ursprüngliche Farbbrillanz und die Klarheit des Siegelbildes wieder sichtbar. Mit restauratorischen Maßnahmen konnten Fragmente an den abgehängten Siegeln mit farblich passendem Ergänzungswachs an die jeweils zugehörigen Siegel angefügt und abgeplatzte oder gesplitterte Wachssiegel gesichert werden. Diese Maßnahmen sind notwendig, damit sichergestellt werden kann, dass keine neuen Schädigungen in Form von Brüchen, Abplatzungen oder vergleichbaren Schadensbildern bei der weiteren Handhabung entstehen können.

Anschließend und flankierend wurde ein besonders schonendes Digitalisierungsverfahren gewählt. Die Wahl der Digitalisierungstechnik nach Größe und Art der Vorlagen trug dazu bei, dass die Urkunden mit einer minimalen Anzahl von Arbeitsschritten optimal, sachgerecht und schonend digitalisiert werden konnten. So wurden alle Urkunden bis auf groß- und überformatige mit einem Aufsichtsscanner digitalisiert, während die Siegel und größeren Urkunden mithilfe einer reprografischen Anlage und mit Streiflicht zur optimalen Ausleuchtung aufgenommen wurden. In beiden Fällen halfen mit schwarzer Pappe ausgekleidete magnetische Platten bei der vorsichtigen Fixierung mit konservatorisch vorbereiteten Magneten, indem die Pappen Reflexionen verhindert und die Farbwiedergabe optimiert haben, die Magnete händischen Kontakt und zu viele Wölbungen ausgeschlossen haben. Die Siegel wurden alle mit einseitigem Streiflicht zu besseren Erfassung der Strukturen bearbeitet, weil durch gezielt hervorgerufenen Schattenwurf gerade bei Siegeln eines mittleren bis schlechten Erhaltungszustandes die noch vorhandenen Informationen vom Abdruck des Petschafts / Siegelstempels bestmöglich sichtbar gemacht werden können.

Die Urkunden wurden nach der Digitalisierung in DIN-gerechte Mappen und Kartonagen verpackt und die abgehängten Wachssiegel mit einem Siegelschutz versehen. Knapp 250 Siegel bekamen Siegelschutzhüllen in Standardgröße, für 17 einzelne Siegel mussten die Schutzhüllen handgefertigt werden, sie hatten einen Durchmesser von bis zu 16 cm. Die Lagerung in Dreiklappmappen und säurefreier Kartonage aus Wellkarton sorgt nun für den optimalen Schutz des Urkundenbestands.

Kernziel der Maßnahmen war die enge Verzahnung von bestandserhalterischen Maßnahmen mit der Digitalisierung. Die Anpassungen kommen auch bei zukünftigen Projekten zum Tragen und eignen sich nicht nur für Urkunden, sondern – mit gewissen Modifikationen – generell für empfindliche oder fragile Objekte.

Es ist geplant, die Digitalisate aller Urkunden in absehbarer Zeit über die Online-Portale "Mein Stadtarchiv" und "Archive in NRW" einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.