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09. Mai 2022

„Das müsstest Du sehen, es ist großartig“. Der Aufbau von Sammlungen in einem Kreisarchiv

Bericht zur Online-Vortragsreihe Special Collections – Besondere Bestände aus rheinischen Archiven am 4.4.2022

Im Rahmen der neu gestarteten Online-Vortragreihe „Special Collections – Besondere Bestände aus rheinischen Archiven“ referierte Heike Pütz aus dem Kreisarchiv Euskirchen über den Aufbau von Sammlungen in einem Kreisarchiv.

Zunächst begrüßte Monika Marner, LVR-AFZ, die Teilnehmenden und die Referentin und stellte die Vortragreihe vor. Ziel sei es, den Kolleg*innen in den rheinischen Archiven „in den Karton zu gucken“ und über die Präsentation spezieller Bestände in die fachliche Diskussion einzusteigen.

Heike Pütz wies zu Beginn ihres Vortrages auf die junge Entstehungsgeschichte von Kreisarchiven und die daraus resultierenden Konsequenzen für die Archivarbeit hin. Im Gegensatz zu kommunalen Archiven, die im kulturellen Bewusstsein der Bürger*innen verankert sind, sei die Bindung an ein Kreisarchiv weniger ausgeprägt.

Anhand der Geschichte des Kreisarchivs Euskirchen wird dieses Phänomen deutlich. Bis zum Jahr 2000, als die Referentin das Amt der Kreisarchivarin übernahm, gab es keine fachliche Besetzung im Kreisarchiv Euskirchen. Es lag vor allem Verwaltungsüberlieferung vor, sämtliche historischen Asservate wurden im Eifelmuseum untergebracht. Seit nun 20 Jahren betreibt das Kreisarchiv eine aktive Sammlung von Stücken aller Art, die die Geschichte des heutigen Kreisgebietes betreffen.

Auf der Suche nach Ergänzungsüberlieferung in Form von Asservaten, Nachlässen und Sammlungen nutzte Heike Pütz auch Onlinemarktplattformen und wurde auf lokale historische Postkarten aufmerksam, die neben Amtsgebäuden und landschaftlichen Aufnahmen auch große Bauprojekte, wie zum Beispiel die Lorbachtalbrücke, oder den Besuch Kaiser Wilhelms II. 1906 an der Urftalsperre zeigen. Weitere Postkartenfunde dokumentieren die Besetzung nach dem Ersten Weltkrieg durch zuerst britische, dann französische Truppen. Mittlerweile wurden über 3000 Motive gesammelt, die grob mit Ort, Titel, ggf. den abgebildeten Gebäuden und Personen erfasst und kurz beschrieben werden. Sind Verlag oder Fotograf*in ersichtlich, wird auch dies in der Erfassungsmaske festgehalten.

In einer ersten Fragerunde folgte ein Austausch über die Vorgehensweise und die Erfahrung mit Postkartensammlungen. Das interessierte und diskussionsfreudige Publikum thematisierte den Umgang mit der Bild- und Schriftseite sowie Poststempel, Digitalisierung, Finanzierung der aktiven Sammlungstätigkeit und die Auseinandersetzung und Korrespondenz mit Sammler*innen.

Im Anschluss stellte die Referentin weitere Asservate wie Notgeldscheine des Kreises, Gedenkmünzen zum 150- jährigen Kreisjubiläums, Speisekarten von Gastronomie, Führerscheine und Kennzeichen, Papiere aus der Besatzungszeit und andere Materialien, die mittlerweile ihren Weg ins Kreisarchiv Euskirchen gefunden haben, vor.

Heike Pütz stellte fest, dass sich in den 20 Jahren der aktiven Sammlungstätigkeit das Verhältnis zur Bevölkerung gewandelt habe. Das Nachdenken über die Nutzerorientierung, Öffentlichkeitsarbeit zum Beispiel in Form von Wettbewerben ebenso wie niederschwellige Bildungsangebote für Schulen habe dazu geführt, dass das Kreisarchiv ein Bewusstsein dafür schaffen konnte, was für die historische Überlieferung des Kreises bedeutsam sei. Als schöne Nebeneffekte der langjährigen Arbeit des Teams bezeichnete Pütz, dass die Sammlungsarbeit mittlerweile so bekannt geworden sei, dass potenzielle Asservate aus Privatbesitz abgeben werden.

Anschließend diskutierten die Teilnehmenden die Kooperation bzw. Konkurrenz von Archiven. Im Kreis Euskirchen, so Pütz, überwiege die Absprache bei Ankäufen oder historisch interessanten Funden. Darüber hinaus wurde auf die Frage der Kategorisierung von Postkarten eingegangen und festgestellt, dass es diesbezüglich unterschiedliche Vorgehensweisen aufgrund der heterogenen Materialität und historischen „Funktion“ der Postkarten gebe. Zum Schluss wies die Kreisarchivarin auf ihre aktuellen Sammlungstätigkeiten am Beispiel der Corona-Pandemie hin. Impfampullen, Straßenschilder zum Corona-Testzentrum, Impfzertifikate etc. sind nur einige Beispiele für eine potenzielle zukünftige Ausstellung etwa zum Thema „25 Jahre Corona-Pandemie“. Dies mache deutlich, dass Archive und die Archivarbeit nicht rückwärtsgewandt seien.

Bevor die Teilnehmenden den Online-Vortrag verließen, wies die Archivarin des Kreises Kleve, Dr. Beate Sturm, auf den nächsten Vortrag der Reihe am 12. September 2022 hin, bei dem sie eine umfangreiche Sammlung von Kriegsgefangenenpost des Zweiten Weltkrieges und die damit verbundenen archivarischen Herausforderungen vorstellt.

Bericht: Karoline Lange

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