Kuppeldach des Museums, 2013 Foto: Wikipedia
Die Aufgaben, mit denen sich Archivare konfrontiert sehen, sind vielfältig, häufig zeitintensiv und müssen gut priorisiert werden. Dass die „klassische“ Verzeichnung von Archivalien dabei nach wie vor zu den Kernkompetenzen zählt, zeigt ein aktuelles Beispiel aus Großbritannien.
Ausgerechnet an einem der bedeutendsten Museen der Welt konnte sich kriminell an Objekten bereichert werden. Wie am 16. August der Öffentlichkeit bekannt wurde, haben sich am Britischen Museum über Jahre Diebstähle zugetragen, durch welche etwa 2.000 Objekte abhandenkamen. Am 25. August trat der Direktor des Museums Hartwig Fischer vor dem Eindruck dieser Ereignisse zurück.
Tatverdächtig ist ein inzwischen entlassener Kurator des Museums. Er soll die gestohlenen Stücke unter einem Pseudonym über die Plattform Ebay verkauft haben. Nach bisherigem Ermittlungsstand stammen die ältesten gestohlenen Stücke aus dem 15. vorchristlichen Jahrhundert, die jüngsten hingegen aus dem 19. Jahrhundert; vornehmlich aus der Sammlung des Antiquars Charles Townley, die das Museum vor fast 220 Jahren ankaufte, die aber immer noch nicht vollständig auf Ebene der einzelnen Objekte erschlossen ist. Es liegt nahe, dass es sich hierbei nicht um einen Zufall handelte. Indem er kleine noch nicht verzeichnete Stücke entwendete, reduzierte der Dieb das Risiko für sich erheblich. Bereits vor zwei Jahren äußerte ein Kunsthändler mehrfach seinen Verdacht, dass Diebstähle im Gange seien, wurde darin jedoch ignoriert.
Selbst wenn dieser Fall aus einem der größten europäischen Museen nur bedingt auf nichtstaatliche Archive im Rheinland übertragbar ist und auch die beste Verzeichnung nicht gänzlich davor schützt, dass Objekte gestohlen oder zerstört werden, zeigt der Fall doch, dass das Wissen um den Umfang und den Inhalt der eigenen Magazine letztlich im finanziellen Interesse des Archivträgers ist. Die am 27. August 2023 im Tagesspiegel unter der Überschrift „Gründe für den historischen Diebstahl“ veröffentlichte Schlussfolgerung des Kunstwissenschaftlers und Journalisten Nikolaus Bernau „nicht nur das British Museum leide[…] an fehlenden Katalogen“, muss unbedingt ernst genommen werden. Vollständige und ausreichend tiefe Verzeichnung ist unverzichtbare Grundlage eines funktionsfähigen Archivs. Objekte, die in den Magazinen und Depots von Gedächtniseinrichtungen lagern, müssen eindeutig zuzuordnen sein. Vorliegende Erschließungsinformationen und Findmittel müssen regelmäßig auf ihre Aktualität überprüft werden, bekannte Lücken und Rückstände zeitnah – ggf. unter Rückgriff auf zeitlich befristetes Personal – geschlossen werden. Die Daten müssen so vollständig wie möglich publiziert und somit auch für Dritte überprüfbar sein. Sollte es an den notwendigen personellen oder finanziellen Mitteln fehlen, kann auf die Beratung durch das LVR-AFZ, die Archivförderung (LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum - Archive im Rheinland) oder die Regionale Kulturförderung (Regionale Kulturförderung des LVR | LVR) zurückgegriffen werden. So kann das personalbindende Unterfangen des Britischen Museums, unverzeichnete Verluste zu identifizieren, das im Idealfall ja nur den Status quo vor den Diebstählen wiederherstellt, anderen Einrichtungen im wahrsten Sinne des Wortes erspart bleiben.