17. Juni 2025
Am Donnerstag, den 5. Juni 2025, präsentierte das Stadtarchiv Duisburg in der Onlineveranstaltungsreihe „Special Collections“ des LVR-AFZ die Entstehung und Durchführung des großangelegten „Hausakten-Projekts“ (mehr dazu). Die Stadt Duisburg entschied sich für eine Gesamtdigitalisierung der sogenannten „Hausakten“. Diese Entscheidung führte zu umfangreichen Planungen im Vorfeld sowie im laufenden Projekt sowie 2023 zur Einrichtung von vier wissenschaftlichen Stellen im Stadtarchiv. Das Projekt umfasst die Digitalisierung und Bearbeitung von ca. 8 Regalkilometern Schriftgut bzw. mehr als 178.000 Aktenbänden.
Den Auftakt lieferte Lisa Hampel, Leiterin des Sachgebiets „Verwaltungsarchiv/Zwischenarchiv“ im Stadtarchiv Duisburg. Sie schilderte die Herausforderungen bei der Planung für alle Beteiligten, ein so großes Projekt auf die Beine zu stellen. Selbst mit Rückendeckung der örtlichen Leitung des Kulturdezernats und starken eigenen archivischen Argumenten waren externe Gutachten nötig, um die dafür nötigen Personalressourcen bewilligt zu bekommen. Neben umfassenden Abstimmungsbedarfen auf Verwaltungsebene wurde im Archivteam parallel dazu permanent inhaltlich an der Durchführung des Projekts weitergearbeitet. Hampel verdeutlichte, inwiefern Planungssicherheit, Kompromissbereitschaft aller beteiligten Stellen sowie auch eigene Standfestigkeit hinsichtlich der archivischen Interessen zentrale Faktoren waren, um das Projekt auf den Weg bringen zu können.
Im Anschluss übernahmen die wissenschaftlichen Mitarbeitenden des Hausakten-Projekts: Dr. Marius Lange definierte zunächst die Charakteristika der sogenannten „Hausakten“. Anhand vieler Beispiele verdeutlichte er eindrücklich den hohen Quellen- und Informationswert dieser Schriftgutgruppe für die historische Forschung und Duisburger Stadtgeschichte sowie die potentielle Archivwürdigkeit der Akten. Die Hausakten würden den „Lebenslauf eines Gebäudes“ widerspiegeln und enthielten wichtige Informationen zu u. a. sozial-, wirtschafts- sowie kunst- und architekturgeschichtliche Fragestellungen. Bei der praktischen Arbeit sei den Mitarbeitenden schnell klargeworden, dass nicht alle Hausakten gleich aufgebaut oder gleich umfangreich sind. Manche Hausakten seien grundstücks- und nicht hausbezogen, viele enthielten neben Zeichnungen und Plänen auch fotografisches Material von Gebäuden, Plätzen und Straßen, die für die Stadtgesellschaft und damit das Stadtarchiv grundsätzlich interessant sind. Im Grunde, so Lange, wäre es notwendig, jede einzelne Akte einer Aktenautopsie zu unterziehen, um den tatsächlichen Inhalt zu eruieren.
Dass aufgrund der enormen Menge der Akten nicht jede in die Hand genommen werden kann, war dem Projektteam ebenfalls recht schnell klar. Annika Enßle erläuterte, inwiefern das Projekt derzeit praktisch umgesetzt wird und gab tiefgehenden Einblick in die Workflows. Wichtig sei vor allem die gute und enge Abstimmung mit dem Digitalisierungsdienstleister und Absprachen „auf dem kurzen Dienstweg“. Das Stadtarchiv entschied sich letztlich für eine flache Erschließung mit dem Ziel, bei künftiger Nutzung eine tiefere Erschließung vorzunehmen. Die Umbettung und Verzeichnung erfolge im eigenen Haus über angelernte Hilfskräfte. Auf Nachfrage wurde auch noch einmal verdeutlicht, dass nicht alle digitalisierten Hausakten als archivwürdig eingeschätzt werden, d. h. nur ein Teil wird zu einem späteren Zeitpunkt zu Archivgut umgewidmet und in das digitale Archiv übernommen.
Zum Abschluss stellte Karina Sosnowski vor, inwieweit das Hausakten-Projekt in der Öffentlichkeitsarbeit des Stadtarchivs implementiert ist. Anhand von vielen unterschiedlichen Beispielen zeigte sie auf, mit welcher Bandbreite das Projekt in die öffentliche Wahrnehmung gestreut wird – sei es über Publikationen, Vorträge, Ausstellungen, Führungen und die Social Media-Kanäle. Sosnowski hob hervor, dass durch das Projekt der Output des Stadtarchivs deutlich zugenommen hat und das bisherige Interesse der Stadtöffentlichkeit an den Angeboten sehr hoch ist. Weitere Veranstaltungen und Veröffentlichungen, bei denen das Projektteam inhaltlich beteiligt ist, so hob Sosnowski hervor, seien in näherer Zukunft in Planung.
Die vier Vorträge lieferten spannende Einblicke in das Projekt, das bei den Kolleginnen und Kollegen auf reges Interesse stieß. Neben den Herausforderungen wurden auch die Chancen und der Mehrwert dieses „Pionier“-Projekts thematisiert. Bei der Veranstaltung gab es viel Raum für den Austausch und Rückfragen, die das Projektteam gerne beantwortete. Die Fragen und Diskussionspunkte berührten dabei grundsätzliche aber auch viele praktische Aspekte. Es lohnt sich mit Sicherheit, auch in Zukunft ein Auge auf den weiteren Werdegang und die Ergebnisse des Hausakten-Projektes zu haben.
Das LVR-AFZ dankt allen Teilnehmenden und insbesondere den Mitarbeitenden des Duisburger Hausakten-Projekts für die tolle Veranstaltung. Bei der nächsten Special Collection am 13. November 2025 stellt sich das Archiv Vogelsang IP vor. Die Anmeldung und weitere Infos finden sich auf der Homepage.