Saure Papiere sind in ihrem Bestand gefährdet. Leider machen sie in vielen Archiven einen erheblichen Teil des jüngeren Archivguts aus. Der Grund hierfür liegt zum einen in der Erfindung des Holzschliffs als Methode, um billiger und in wesentlich größeren Mengen Papier herzustellen, als das mit der Papiergewinnung aus Lumpen (Hadern) möglich war. Zum anderen trug die bis in die 1980er Jahre verwendete saure Leimung zur Versäuerung entsprechender Papiere wesentlich bei.
Hölzer und verholzte Pflanzenteile bestehen nach der Cellulose zu einem großen Anteil aus Ligninen (von lat. lignum – Holz), die ihren zweiten Hauptbestandteil bilden. Für die Bäume und Pflanzen ergänzen sich die beiden Stoffgruppen in ihrer Funktion ähnlich wie Stahl und Beton in Stahlbeton: Während die Cellulose Zugkräfte gut aufnehmen kann, nehmen die komplexen Lignine Druckkräfte gut auf.
Zu Papier verarbeitet bleibt Cellulose bei geeigneten Lagerungsbedingungen und ohne schädigende Einwirkungen über lange Zeiträume nahezu unverändert. Lignine dagegen werden abgebaut. Bei ihrem Abbau entstehen Aldehyde, Alkohole und Säuren, die ihrerseits als endogener Zerfallsfaktor die Polymere der Cellulose angreifen und zerlegen. Je höher der Lignin-Anteil in einem Papier ist, desto schneller altert es daher. Es verbräunt und wird brüchig. Für Archivgut bedeutet das im schlimmsten Fall den Totalverlust. Um den Verlust zumindest längerfristig aufzuschieben, müssen saure Papier einer Entsäuerung unterzogen werden.
Eine Aussage über den Zustand von Papier erlaubt sein pH-Wert. Liegt er unter 7, so ist das Papier sauer. Der pH-Wert ändert sich jedoch kontinuierlich und stellt jeweils nur eine Momentaufnahme dar, weil die sauren Abbauprodukte des Lignins erst im Lauf der Zeit entstehen und den pH-Wert sinken lassen. Dem Papier bei der Herstellung beigegebene alkalische Puffer (v. a. Kalziumcarbonat) können auch ligninhaltige Papiere über einen begrenzten Zeitraum in einem alkalischen Bereich halten. Langfristig führt der Ligninabbau dann aber dennoch zur Versäuerung des Papiers.
Eine Aussage über die Qualität von Papier erlaubt daher insbesondere die sogenannte Kappa-Zahl, mit der der Restligningehalt im Papier gemessen wird. Je niedriger sie ist, desto niedriger ist auch der Restligningehalt. Eine Kappa-Zahl von 5 entspricht dabei einem Restligningehalt von ca. 1 %.
Neben einem hohen pH-Wert und einer niedrigen Kappa-Zahl sollten Papiere, die in Archiven, Bibliotheken und Museen unbegrenzt zu erhalten sind, einen alkalischen Puffer und einen mindesten Durchreißwiderstand in alle Richtungen haben. Zusammenfassend wurden diese Anforderungen 1994 in der internationalen Norm ISO 9706 definiert, die 1995 auch deutsche Industrienorm und 1998 europäische Norm (EN ISO) wurde. 2010 wurden die deutsche und die europäische Norm zur DIN EN ISO 9706:2010 zusammengefasst.
Für Unterlagen, die Archivgut werden oder werden könnten, ist daher zu empfehlen, Papiere zu verwenden, die die Norm DIN EN ISO 9706 erfüllen. Ihre Anforderungen sind höher als die der DIN 6738. Die Unterschiede zwischen DIN EN ISO 9706 und DIN 6738 haben wir separat zusammengestellt.
In der Regel erreichen nur Papiere aus Frischfaser-Zellstoff die hohen Qualitätsanforderungen nach DIN EN ISO 9706. Im Interesse der Schonung von Ressourcen empfehlen wir daher, schon vor der Papierbeschaffung zwei Aspekte zu prüfen:
Fallen archivwürdige Unterlagen in nennenswertem Umfang an oder sind sie zumindest zu erwarten und ist die Papierakte (noch) die führende Akte, so empfehlen wir für diese Bereiche die Anschaffung von Papier, das den Anforderungen der Norm DIN EN ISO 9706 entspricht. Fallen keine archivwürdigen Unterlagen an oder wird eine führende elektronische Akte geführt, so ist die Anschaffung von Recyclingpapieren empfehlenswert. So ist es grundsätzlich weder notwendig noch sinnvoll, Kassenunterlagen, Dienstreiseanträge oder Unterlagen zur Hundesteuer auf hochwertiges Papier zu drucken.
Wir empfehlen, seitens der zuständigen Archive grundsätzlich den Kontakt mit den eigenen Beschaffungsstellen zu suchen, damit bei einer Ausschreibung für die Papierbeschaffung gegebenenfalls nach getrennten Losen verschiedene Papiere beschafft werden können.